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Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel
Autoren: Javier Sierra
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Augenrändern umgeben. ›Wo bist du nur hineingeraten, Julia?‹, fragte ich mich im Stillen. Doch am meisten beunruhigte mich das, was mein Spiegelbild nicht wiedergeben konnte: Meine Muskeln waren völlig schlaff. Ich hatte wohl einen heftigen Schlag abbekommen, denn nach einer Weile spürte ich Schmerzen im oberen Rücken, als wäre ich vom Gerüst gefallen.
    Das Gerüst. Das gab es ja auch noch!
    Ich drückte die Daumen in der Hoffnung, dass die Schüsse nicht bis dorthin gelangt waren. Die Werkstatt befand sich genau darunter, mit all meinen Daten auf der Festplatte.
    » Die Polizei kommt gleich, um mit Ihnen zu sprechen«, verkündete da der stattlichste der Feuerwehrleute. » Bitte, warten Sie hier.«
    Und tatsächlich, eine Minute später kam lustlos ein Mann auf mich zu. Er steckte in einem beigefarbenen Trenchcoat, Regenwasser strömte über sein Gesicht, die angelaufene Brille mit ihrem weißen Gestell wirkte einigermaßen gewagt, und seine Gesten verrieten, dass er nicht gerade bester Laune war. Er trocknete seine Hände an der Innenseite des Mantels ab und reichte mir mit einstudierter Förmlichkeit die Hand.
    » Guten Abend, Señora Álvarez«, begrüßte er mich. » Ich bin Inspector Antonio Figueiras, von der Polizei in Santiago. Geht es Ihnen gut?«
    Ich nickte.
    » Also…«, stammelte er. » Die ganze Situation ist ein bisschen heikel für uns. Der Mann, der Sie aus der Kathedrale gebracht hat, behauptet, jemand habe Ihnen dort aufgelauert. Er hat uns in seinem etwas holprigen Spanisch gesagt, dass Sie Julia Álvarez sind. Stimmt das?« Ich nickte noch einmal. Der Inspektor sprach weiter: » Ich muss Sie so bald wie möglich vernehmen, aber dieser Mann ist Angehöriger einer amerikanischen Sicherheitsbehörde und besteht darauf, dass er Ihnen etwas Wichtiges mitteilen muss.«
    » Colonel Allen?«
    Figueiras zog ein überraschtes Gesicht, als hätte er nicht erwartet, dass ich Nicholas Allen samt seinem Dienstgrad benannte. Als er das verarbeitet hatte, sah er ostentativ auf.
    » So ist es, genau. Haben Sie etwas dagegen, zuerst mit ihm zu sprechen? Wenn dem so wäre, dann…«
    » Nein, nein, keineswegs«, fiel ich dem Polizisten ins Wort. » Denn ich habe auch ein paar Fragen an ihn.«
    Der Inspektor wies an, den Amerikaner zu rufen.
    Als ich Nicholas Allen jetzt vor mir sah, war ich überrascht. Er maß etwa 1 , 80 Meter, war wohl um die 50 und trat wie ein perfekter Gentleman auf. Sein Anzug hatte bei dem Scharmützel, das wir gerade zusammen erlebt hatten, erheblich Schaden genommen, aber seine teure Krawatte und sein gestärktes Hemd vermittelten noch einen Großteil ihrer ursprünglichen Eleganz. Er trug einen Lederkoffer bei sich und griff, noch bevor er mich begrüßte, nach einem weiteren Stuhl und setzte sich neben mich.
    » Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr es mich erleichtert, dass ich gerade noch rechtzeitig gekommen bin, Mrs Álvarez«, sagte er, während er mir die Hand reichte.
    » Kennen wir… uns denn?«
    Der Amerikaner sah mich ernst an. Aber die Geste gelang ihm nicht. Auf die kurze Entfernung zeigte seine Stirn eine hässliche Narbe, die sich von den Augenbrauen über die Stirn zog und unter einem üppigen Haarschopf verschwand, der von grauen Strähnen durchzogen war.
    » Ich kenne Sie schon«, begann er. » Ich war ein Kollege Ihres Mannes. Wir haben bei verschiedenen Projekten der Regierung meines Landes zusammengearbeitet, zu einer Zeit, als Sie sich noch nicht kannten. Danach… Sagen wir es einmal so, danach habe ich ihn aus den Augen verloren.«
    Diese Mitteilung traf mich unvorbereitet. Martin hatte mir niemals von dem Mann erzählt. Ich überlegte einen Moment, ob ich ihm sagen sollte, dass der » Mönch« Martins Namen genannt hatte, ehe Allen ihn mit Schüssen vertrieb, aber ich beschloss abzuwarten, was er mir mitzuteilen hatte.
    » Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen«, setzte er an. » Aber wenn es Ihnen recht ist, würde ich unser Gespräch lieber unter vier Augen führen.«
    Allen äußerte diese Bitte, während er aus dem Augenwinkel zu Inspektor Figueiras hinübersah, der ein paar Meter Abstand von uns hielt. Ich zuckte mit den Achseln.
    » Wie Sie wollen.«
    » Dann wird es wohl genügen, wenn Sie ihn darum bitten«, schlug der Amerikaner lächelnd vor.
    Ich zögerte einen Moment, aber dann war meine Neugierde stärker. Ich stand auf und bat den Polizisten, uns einen Moment allein zu lassen. Sichtlich ungern stimmte er zu und führte dann
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