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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle
Autoren: Larissa Cosentino
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hieß. Gleichzeitig beobachtete
sie den Traum, als betrachtete sie sich selbst, als müsse sie aus dieser
entrückten Position erkennen, ob das Leben als Lisa real oder nur ein
Hirngespinst war… Sie sah sich selbst mit ihrer Mutter streiten. War sie das
wirklich? War sie zu solchen Aggressionen fähig? Sie konzentrierte sich.
Sie bemühte sich darum, zu sich selbst zu finden. Sie ahnte, es war
lebensnotwenig…
    War es möglich, dass sie doch nicht Lisa, sondern
Elena hieß? Nein… Vielleicht…
    Jetzt wusste sie es wieder. Sie wusste alles… Verzweifelt
klammerte sie sich an ihre Erinnerungen, als seien sie ein Floß, das sie
vorm Ertrinken retten konnte. Sie wollte sich nicht wieder vergessen und so
zwang sie sich noch einmal die Geschehnisse der vergangenen Monate zu
durchleben…

Kapitel 3
    …Als sie an diesem Tag nach Hause kam, war Lisa
verhältnismäßig gut gelaunt. Jeder Tag, an dem ihre Mutter
verreist war, war ein guter Tag. Sie schenkte sich in der Küche ein Glas
Cola ein und sah dabei aus dem Fenster. Ihre Großmutter Veronika
saß auf der Terrasse, wo sie mit halbgeschlossenen Augen schlummerte und
die Sonnenstrahlen des Spätsommers genoss. Lisa ging hinaus, um die alte
Frau mit einem Kuss auf die Wange zu begrüßen, ehe sie sich zu ihr
setzte. Sie konnte eine Alkoholfahne an ihrer Großmutter riechen, was sie
nicht unangenehm oder ungewöhnlich fand. Das war einfach nur ein Teil von
ihr, diesbezüglich fand sie die Sorgen ihrer Mutter nur übertrieben
paranoid. Ohnehin schien ihre Mutter an jedem Aspekt ihres gemeinsamen Lebens
nur die negativen Seiten sehen zu wollen. Sie wirkte ständig angespannt,
ständig auf der Hut, fast als sei sie erpicht darauf, die nächste
üble Botschaft zu erhaschen, um eine Ausrede zu haben, wieder einen
Therapeuten aufsuchen zu dürfen. Ihre Großmutter hatte Lisa vor
nicht allzu langer Zeit anvertraut, wie lebensfreudig ihre Mutter als junges
Mädchen gewesen war. Für Lisa hatte es sich angehört, als sei
von einer anderen Person die Rede gewesen. Ihre Mutter machte es einem wirklich
leicht, sie nicht zu vermissen. Weshalb also vergeudete sie ihre Zeit damit, an
sie zu denken?
    Ihre Großmutter lächelte sie liebevoll an und
riss sie zum Glück mit einer ihrer Stammfragen aus ihren Gedanken.
    „...und wie war die Schule?“
    Lisa überlegte kurz, ehe sie die übliche
Antwort gab. „Nichts Besonderes, wie immer...“
    Nichts war wie immer, doch weshalb hätte Lisa ihrer
Großmutter erzählen sollen, was heute passiert war? Sie konnte es
ohnehin selbst kaum glauben, weshalb also den friedlichen Augenblick
stören? Gute Laune war ein seltenes Gut, das sie und ihre Großmutter
im stillen Einvernehmen stets zu erhalten versuchten. Auf der Suche nach
Ablenkung, blickte Lisa auf den Gemüsegarten, den sie fast allein angelegt
hatte. Es gab nichts, was sie nicht zum Gedeihen bringen konnte. Dieses
Naturtalent hatte sonst niemand in der Familie, daher war sie auch besonders
stolz darauf. Gartenarbeit war seit ihrem zwölften Lebensjahr ihr Weg zur
Entspannung. Schon als sie ihr erstes Beet angelegt hatte, war ihr klar
geworden, dass dieses Hobby ein Teil ihres Lebens werden musste. Natürlich
hatte sich ihre Mutter darüber aufgeregt, als sei es abnormal, wenn ein
Teenager sich für Gartenarbeit interessiert. Doch was regte ihre Mutter
nicht auf? Wieder schlugen ihre Gedanken eine Richtung ein, die sie nicht
wollte. Sie musste etwas dagegen unternehmen.
    „Die Fisolen könnten geerntet werden, hilfst du
mir?“
    Ihre Großmutter musterte die Ranken, sah zum blauen
Himmel, und nickte schließlich.
    „Sicher. Das ideale Wetter dafür.“
    Als sie aufstand, krachten ihre Gelenke laut und Lisa
erschauderte, als habe sie selbst den ziehenden Schmerz in ihrem Knie
gespürt. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass die Ruhe im Garten von einer
leisen, kaum wahrnehmbaren Musik gestört wurde. ‚Vermutlich aus
irgendeinem Nachbarhaus’, versuchte sie sich einzureden… und doch wusste sie es
besser. Die Klänge verstummten zum Glück fast im selben Augenblick,
da sie sie bemerkt hatte und sie dachte nicht länger darüber nach.
Sie dachte über nichts mehr nach. Die Gartenarbeit nahm für den Rest
des Tages ihre gesamte Konzentration in Anspruch.
    *
    Der friedliche Nachmittag mit ihrer Großmutter
schien weit zurück zu liegen, als sei alles Friedliche längst
vergessen. An diesem Tag saß Lisa mit ihrer Freundin Irene auf dem Boden
im Flur ihrer Schule. Beide Mädchen lehnten
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