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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle
Autoren: Larissa Cosentino
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ausgeliefert…
    Sie war erstarrt liegen geblieben, im Bann der
Klänge gefangen, die um sie herum ihren grausamen Tanz vollführten,
bis sie ihre Seele eingekreist hatten. Die Stimme ihrer Mutter war aus der
Ferne zu ihr gekommen… Ihre Mutter, die so lange an ihrer Seite hatte leiden
müssen… Sie verstand ihre Worte, hörte die Angst in ihrer Stimme und
versuchte zu antworten. War es ihr gelungen? Sie wusste es nicht. Sie wusste
nur, dass sich ihre Seele der Macht der Klänge ergab.
     
    Sie wollte schreien vor Angst, doch in diesem Augenblick
wurde ihr bewusst, dass sie keinen Kontakt mehr zu ihrem Körper hatte.
Panik erfasste sie, sie hätte um sich schlagen wollen, sich wehren, doch
es gab nichts, woran sie sich halten konnte, nichts wonach sie greifen konnte.
    Ihr Verstand brach in sich zusammen, für einen
Augenblick lang nur… oder für eine Ewigkeit... Erste Gedanken kehrten
zurück…
    War sie Lisa?
    Ja, wahrscheinlich…
    Wenn sie wirklich Lisa war, dann musste sie in einem
Albtraum gefangen sein, in einem der schlimmen Sorte, aus dem man
schweißgebadet erwacht. Einer, nach dem man versucht nicht wieder einzuschlafen.
Sie musste aufwachen! Ganz einfach aufwachen! Sie zwang sich zu innerer Ruhe,
versuchte geistig ihre Umgebung zu erfassen, doch das einzige, was in
greifbarer Nähe zu sein schien, waren diese Klänge in ihrem Kopf...
    Sie konzentrierte sich auf sie… Hatte sie nicht schon in
der Vergangenheit Macht aus ihnen geschöpft? Sie waren nicht länger
Bedrohung, sie waren das einzig Vertraute, das einzig Nahe… Sie spürte,
wie die Klänge sich im Einklang mit ihren Gedanken änderten…. Erst
kaum merklich, doch immer deutlicher wurden sie zu Musik, so harmonisch und
friedlich, dass sie das Gefühl hatte, sich ihr vollständig hingeben
zu können. Es war, als habe sie während eines Orkans auf offenem Meer
ein sicheres Ufer gefunden. Sehnsucht erfasste ihren Geist, Sehnsucht, mit
dieser betörenden Melodie zu verschmelzen und in ewigem Frieden Teil von
ihr zu werden...
    Sie brauchte sich nicht länger, sie brauchte nur die
Klänge… Sie vergaß wer sie war, sie vergaß was sie war...
    Ihr Bewusstsein tauchte in die Klänge ein und
löste sich langsam auf...

Kapitel 2
    Sie öffnete die Augen, wie ein neugeborenes Kind die
Augen öffnet… Ein unbeschriebenes Blatt, ein fühlendes Wesen mit dem
animalischen Wunsch nach Geborgenheit… Erst nach einigen Augenblicken lernten
ihre Augen, ihre Umgebung zu erfassen. Ihr Blick streifte über einen
großen, leeren, runden Saal, von blauem Licht überflutet. Rings um
sie herum, mit den Rücken gegen die steinernen Mauern gelehnt, saßen
Menschen in weiße Roben gekleidet. Alle sahen sie an, ihre Blicke ruhten
sanft und konzentriert auf ihr. Das blaue Licht schien aus ihren Körpern
zu strömen, um sie zu wärmen…
    Sie sah all das, und doch bedeutete es ihr nichts. Ihr
Bewusstsein war noch nicht erwacht. Sie verstand nicht, was ihre Augen zu
offenbaren versuchten. Leise, beruhigende Klänge hallten durch den Raum,
als würden sie sie wiegen und ihren Geist mit Frieden erfüllen. Sie
atmete tief durch, ehe sie in einen erholsamen, wohltuenden Schlaf fiel.
    *
    Es war vollbracht.
    Mehana stand auf. Seit Wochen war sie jeden Tag in den
Kreis getreten, hatte jeden Tag ihre ganze Kraft mit den Energien der
Mächtigsten ihres Volkes verbunden, um das Wesen aus der anderen Welt zu
finden. Sie blickte um sich. Allmählich erwachten auch die anderen Teilnehmer
aus ihrer Trance und musterten fast neugierig den bewusstlosen Körper, der
in der Mitte des Raumes lag. Er war schweißgebadet und seine langen Haare
klebten an seiner Stirn, seine Gesichtzüge wirkten dennoch entspannt.
Sicherlich war Mehana nicht die einzige, die sich in diesem Augenblick fragte,
was für ein Geist es war, den sie gerade in den Körper von Serfaj
hinein gerufen hatten.
    Mehana wandte sich ab und stellte sich gedankenverloren
an ein Fenster. Sie sehnte sich nach frischer Luft, doch vor allem nach einem
Augenblick für sich allein. Nun, da Serfaj und das fremde Wesen ihre
Körper getauscht hatten, hatte sie Zweifel. Sie hatte prophezeit, dass der
richtige Augenblick gekommen war, doch war sie sich da wirklich sicher?
    Sie zweifelte immer öfter an ihren Entscheidungen
und nun fürchtete sie sogar, nicht länger auf ihre seherischen
Fähigkeiten vertrauen zu können. Seit über zehn Jahren war sie
die Regentin des Volkes der Wächter. Wie es schien, war es ihr bislang
gelungen, ihrem
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