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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler
Autoren: Tanja Kinkel
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Dominikaner in seiner schwarzweißen Kutte, der gemeinsam mit dem Abt die Messe las. Er wirkte gütig und ehrfurchtgebietend mit seinem weißen Bart und sehr selbstbewußt.
    Man sagte, er sei ein sehr wichtiger Mann, einer der beiden Inquisitoren, denen der Papst die heilige Inquisition in deutschen Landen übertragen hatte, zusammen mit einem dritten, Johannes Gremper, der ihnen jedoch untergeordnet war. Unter den Mönchen des Klosters gab es jedoch einige, die weniger beeindruckt waren.
    »Domini canes «, flüsterte Bruder Albert, der Latein und Griechisch unterrichtete, dem neben ihm sitzenden Bruder Franz spöttisch zu. Zwischen Dominikanern und Benediktinern herrschte seit alters her Mißtrauen, und man wußte im Kloster, daß der Abt alles andere als begeistert über diesen Besuch gewesen war. Während man die Benediktiner wegen ihrer Lehrtätigkeit und ihres Reichtums rühmte, hatte der Orden der Dominikaner die Inquisition zu seinem Privileg gemacht.
    Die Dominikaner nannten sich beileibe nicht nur nach dem heiligen Dominikus, sondern wiesen auch ständig stolz auf die Nebenbedeutung ihres Namens hin – domini canes , die Hunde des Herrn, die Hunde, welche die Herde schützten vor allem Fremden, welche die schwarzen Schafe aussonderten.
    Wie erwartet, hatte Bruder Heinrich das Hexenwesen zum Gegenstand seiner Predigt gemacht. Er begann damit, daß ihm und seinem Mitbruder Jakob, der zur Zeit im Rheinländischen weilte, durch die Bulle des Papstes die Ausrottung dieser Unmenschen besonders ans Herz gelegt worden war, und zitierte aus dem Alten Testament: »Hexen und Zauberer sollst du nicht leben lassen!«
    Es gebe natürlich überhaupt keinen Zweifel an der Existenz von Hexenkunst an sich, doch es habe sich gezeigt, daß die Frauen in viel höherem Maße für dieses Übel anfällig seien als die Männer, was kaum verwunderlich wäre.
    »Steht nicht in der Heiligen Schrift«, fragte Bruder Heinrich, »klein ist jede Bosheit neben der Bosheit des Weibes? Und Chrysostomus sagt: Was ist das Weib anderes als die Feindin der Freundschaft, eine unentrinnbare Strafe, ein notwendiges Übel, eine natürliche Versuchung, ein wünschenswertes Unglück, eine häusliche Gefahr, ein Mangel der Natur, mit schöner Farbe gemalt. Auch Vincentius meint: Ich fand das Weib bitterer als den Tod, und selbst ein gutes Weib ist unterlegen der Begehrlichkeit des Fleisches.«
    Richard bewegte sich unruhig auf seiner Bank. In St. Georg wurde auch Rhetorik unterrichtet, und gemessen an dem, was von den Schülern verlangt wurde, fand er diesen berühmten Dominikaner eher mittelmäßig. Außerdem schien Heinrich Institoris seine Beispiele direkt aus einem Handbuch für Prediger zu nehmen, das sich auch in der Klosterbibliothek befand. Richard unterdrückte ein Gähnen. Seine Gedanken schweiften ab, er fragte sich, wie eine Hexe ihren Zauber wohl bewerkstelligen würde – wenn es denn Hexen gab. Er hatte vage Vorstellungen von Zaubersprüchen, plötzlich aufwallenden Nebeln und dergleichen. Plötzlich spürte er eine leichte Berührung an der Schulter. Seine Mutter schüttelte lächelnd den Kopf, Richard errötete und versuchte, sich wieder auf die Predigt zu konzentrieren.
    Bisher hatte der Dominikaner eher zurückhaltend gesprochen. Doch nun wurde seine Stimme drängend, donnerte über die Köpfe der Gemeinde hinweg.
    »Ist es ein Wunder, daß dieses schwache, schuldbeladene Geschlecht, das seit Eva immer wieder der Verführung des Bösen erlegen ist, einen Pakt mit dem Satan eingeht, dem Satan, der sich auf die Schlingen der Wollust versteht? Kein Mann kann so anfällig dafür sein, wie ein Weib, denn die Weiber sind von Natur aus unersättlich gierig nach den Versuchungen des Fleisches, die Männer dagegen selbstbeherrscht. Eva wurde aus einer Brustrippe geschaffen, das heißt, eine jede Frau ist von Natur aus gekrümmt und dem Manne zugeneigt. Aus diesem Mangel geht auch hervor, daß, da das Weib nur ein unvollkommenes Tier ist, es immer täuscht. Es heißt nicht umsonst: Wenn ein Weib weint, es den Mann zu täuschen meint.«
    Er holte tief Atem und fuhr höhnisch fort: »Wenn es auch den Frauen an höherem Verstand fehlt, um die Listen des Bösen zu durchschauen, so besitzen sie eine niedere Tücke und Leidenschaft und Gemütserregung im Übermaß. Das Weib schäumt infolge seiner Natur vor Zorn und Unduldsamkeit, wenn es den haßt, den es vorher geliebt; und wie die Meeresflut immer brandet und wogt, so ist eine solche Frau
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