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Die Prophezeiung von Umbria

Die Prophezeiung von Umbria

Titel: Die Prophezeiung von Umbria
Autoren: Deborah Hale
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suchte nach ihrem Puls. Er hielt das Ohr dicht an ihre Lippen und wagte kaum zu atmen, während er lauschte.
    Maura gab kein Lebenszeichen von sich.
    Die Magie hatte nicht gewirkt. Das Gebet hatte nichts genützt. Jetzt konnte er nur noch eines tun.
    Rath wrang sein nasses Gewand aus und benetzte mit dem Wasser ihre Augenbrauen.
    “
Guldir quiri shin … hon bith shin …”
, murmelte er zögernd mit heiserer Stimme. “
Vethilu bithin anthi gridig aquis … a bwitha muir ifnisive.”
    Wasche die Sorgen dieser Welt aus deinen Gedanken, und lasse sie rein werden für ein besseres Leben in der nächsten Welt.
    Es brach ihm fast das Herz, aber er hatte es Maura versprochen. Und sie hatte ihm versichert, er würde ihre Stimme hören und ihre Erinnerungen mit ihr teilen.
    Er brauchte das jetzt.
    Sie waren jählings getrennt worden, und ihr Wiedersehen hatte nur aus ein paar Blicken mitten in einer Schlacht bestanden. Wenn sie jetzt auf dem Weg ins Jenseits war, dann würde er wohl keinen Schaden anrichten, wenn er ihr verriet, wie viel sie ihm bedeutete.
    Er ließ einige Tropfen Wasser auf ihre Lippen fallen, dann auf ihre Handflächen und rezitierte mit brechender Stimme die rituellen Worte. Danach beugte er sich über sie und öffnete seinen Geist.
    Wo bist du, Maura? Du sagtest, ich würde dich hören können.
    Keine Antwort. Noch nicht einmal in seinen Gedanken.
    Hatte er vielleicht doch Recht gehabt? Gab es gar keinen Allgeber? Kein Jenseits? Nichts als dieses einzige, zu kurze Leben, in dem die Menschen sich hauptsächlich um sich selbst kümmern mussten?
    Wie ein winziges Samenkorn hatte der Glaube in seiner Seele Wurzeln geschlagen und weigerte sich jetzt hartnäckig, zu sterben, ganz gleich wie viele Enttäuschungen ihn auch zu ersticken drohten.
    Rath?
    Es war nicht mehr als ein weit entferntes Flüstern, doch es weckte erneut die Hoffnung in ihm.
    Ihre Körper bewegten sich nicht, doch ihr und sein Geist suchten einander, bis sie mit einem Mal eins waren.
    Er sah sich selbst mit ihren Augen, fühlte die Liebe, die sie für ihn hegte, fühlte sie mit all seinen Sinnen und besaß plötzlich ein geheimnisvolles Wissen, das über den begrenzten Bereich des Verstandes hinaus reichte.
    Es schien nicht mehr, als würde sie sterben, viel eher wurde er neu geboren.
    Nimm mich mit dir!
Flehte sein Geist.
Ich kann nicht ertragen, dass alles zu Ende sein soll.
    Ich auch nicht.
    Mit einem Mal wussten sie, dass sie die Wahl hatten. Er konnte mit ihr gehen, um im Jenseits eins mit ihr zu sein. Oder sie konnte mit ihm ins Leben zurückkehren, wo das Schicksal sie trennen würde.
    Es brauchte keine Worte. Ihre wahren Gefühle konnten sie nicht voreinander verbergen. Zusammen spürten sie, wie zwei sehnlichste Wünsche sie quälten, Wünsche, die für immer unvereinbar bleiben würden.
    Als zuletzt die Entscheidung fiel, barg sie keinen Missklang.
    Rath öffnete die Augen. Maura öffnete die Augen.
    Vor Schmerz über die Trennung und die Einsamkeit wollte Rath laut aufschreien. Doch als ihre Blicke sich trafen, wusste er, dass ein Teil von ihm auf unerklärliche Weise für immer mit einem Teil von Maura verbunden sein würde.
    “Hier ist es”, sagte Rath mit einem kaum hörbaren Seufzer. “Der Zeitlose Wald.”
    Er und Maura standen hoch oben am Rand eines sanft geschwungenen Abhangs und schauten auf den geheimnisvollen Wald im Norden hinab. Jeder von ihnen hielt ein Pferd am Zügel, das genüsslich am saftigen Gras knabberte.
    Nachdem sie der Finsternis im Inneren des Untiers entkommen war, erschienen Maura die Farben der Welt klarer und strahlender. Das unterschiedliche Grün der Bäume und des Grases, das kräftige Gelb und Purpur der Wildblumen, das tiefe Blau des Himmels über dem Diesseitsland.
    Jetzt blickte sie zum Himmel auf, wo schon schemenhaft der silberweiße Mond im schwindenden Tageslicht schimmerte.
    “Wir sollten uns auf den Weg machen, damit wir noch genügend Licht haben, um die Zeichen auf Exildas winziger Landkarte zu lesen”, meinte sie.
    Für diese Suche hatten sie und Rath ihre Freiheit und ihr Leben gewagt. Nun setzten sie ihre Herzen und ihr zukünftiges Glück aufs Spiel. Ein Teil von Maura wollte ihrem Schicksal entgegenstürmen, damit endlich alles vorbei wäre. Doch ein anderer Teil wollte den entscheidenden Moment so lange wie möglich hinauszögern – jede Sekunde Raths Gegenwart genießen und die Liebe spüren, die sie füreinander hegten.
    “Ich habe die Karte oft genug studiert, ich
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