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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine
Autoren: Pamela Freeman
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und sich mit wahrer Begeisterung über die Leichen hermachten. Die anderen Dorfbewohner jedoch hatten schon zu viele Menschen sterben sehen, die genau wie sie selbst waren: gewöhnliche Leute. Leute, die ihre Steuern nicht aufbringen konnten oder sich nicht lange genug vor dem Kriegsherrn verbeugt hatten. Oder die Einspruch erhoben hatten, als seine Gefolgsleute ihre Tochter gegen deren Willen zur Festung mitnahmen. Es war wichtig, den Hinrichtungen beizuwohnen und laut zu jubeln. Die Männer des Kriegsherrn schauten immer zu. Bramble hatte in der Vergangenheit so laut gejubelt wie die anderen auch und hatte sich hinterher jedes Mal schlecht gefühlt.
    Die Männer des Kriegsherrn hatten also heute ihre Arbeit getan und waren nach Hause gegangen, als der Junge aufgehört hatte zu atmen. Der Blonde hatte wahrscheinlich die Abkürzung durch den Wald genommen, dabei zufällig den Wolf gesehen und nicht widerstehen können, diesen ein wenig zu verfolgen. Nicht widerstehen können, erneut zu töten.
    Ein Jäger, den es nicht scherte, ob das von ihm angeschossene Tier litt, verdiente nichts als Verachtung. Mit Sicherheit hatte er den Pelz des Tieres, das er Schmerzen und einem langsamen Tod überlassen hatte, nicht verdient.
    Vernünftig jedoch wäre es gewesen, die Tierhaut in die
Festung des Kriegsherrn zu bringen und zu sagen, dass ein Pfeil des Kriegsherrn in dem Wolf gesteckt hatte, als sie ihn gefunden hatte. Es wäre vernünftig gewesen, den Blonden seinen Anspruch darauf erheben zu lassen. Sollte er doch seine Belohnung für das Töten bekommen.
    Bramble betrachtete den Jungen in der Kiste. Sein Gesicht war nach wie vor schmerzverzerrt. »Na ja, von mir hat noch nie jemand behauptet, ich sei vernünftig«, sagte sie.
    Sie ging um das Dorf herum und schlich zwischen den Erlen, die in einer Reihe entlang des Flusslaufs wuchsen, zur Rückseite ihres Elternhauses. Sie warf das Wolfsfell hinter den Abort und ging dann den ganzen Weg wieder zurück, damit man sie nur mit Kaninchen und Kräutern in der Hand über die Dorfstraße nach Hause gehen sah.
    Bramble ging am Wirtshaus vorbei und ignorierte die starrenden Blicke der alten Männer, die mit Krügen in der Hand vor der Tür auf der Bank saßen. Schließlich rief einer von ihnen: »Du trägst die Nase ganz schön hoch, wie ich sehe! Du bist dir wohl zu fein dafür, uns zu erzählen, wie es deiner Schwester in Carlion geht!«
    Es war Swith, der Vater des Ledermachers, seinen Krug mit beiden Händen umklammernd. Er war ein fürchterliches Klatschmaul, aber deswegen hatte er Bramble nicht zu sich gerufen. Er wollte, dass sie sich seine Hände anschaute. Die Gelenkentzündung, wegen der er hier im wärmenden Sonnenlicht saß, hatte seine Knöchel anschwellen lassen wie den prallen Euter einer Ziege.
    »Es geht ihr gut, sagt sie«, erwiderte Bramble. »Sie bauen sich ein neues Haus, auf dem Grundstück neben seinen Eltern.«
    »Aha, sie sorgt also für sich, diese Maryrose!«, kicherte der Freund von Swith, der alte Aden, der zu seiner Zeit lüsternste Mann im ganzen Dorf, dem man nicht über den
Weg trauen durfte. »Sie war ja nicht so ein Blickfang wie du, Mädchen. Aber er hat ein gutes, warmes Bett, in das er steigen kann, der Sohn der Stadtdirektorin!«
    Die anderen Männer runzelten die Stirn. Maryrose war bei allen im Dorf beliebt gewesen und keinesfalls ein leichtes Mädchen.
    »Das reicht jetzt, Aden«, sagte Swith vorwurfsvoll. »Deine Mama und dein Papa werden sie vermissen«, sagte er und schaute sie dabei mit listigem Blick von der Seite an. »Sie war ihr Liebling, nicht wahr?«
    Es war ein altes Spiel von ihm, Bramble dazu herauszufordern, ihm eine einsilbige Antwort zu geben. Es hielt ihn bei Laune und tat ihr nicht weh. Alle wussten, dass Maryrose das Lieblingskind ihrer Eltern war.
    »Natürlich vermissen sie sie, Swith«, sagte Bramble. Da sie das Gefühl hatte, Aden und den anderen genug Unterhaltung geboten zu haben, fügte sie hinzu: »Wie ich sehe, hast du Probleme mit den Händen. Kann ich helfen? Soll ich sie dir vielleicht einreiben?«
    »Wenn du einem Mann schon etwas reiben möchtest …«
    »Halt dein dreckiges Maul, Aden!«, brüllte Swith. Leicht verschämt warf er dann einen Blick auf Bramble. »Na ja, Mädchen, jetzt, da du es sagst …«
    Sie lächelte ihn an. »Ich komme nach dem Abendessen vorbei.«
    Sie rieb den Alten mehr oder minder regelmäßig Hände und Füße mit Gänsefett und Schwarzwurz ein. Natürlich tat sie dies nicht bei
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