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Die Prophezeiung der Steine

Die Prophezeiung der Steine

Titel: Die Prophezeiung der Steine
Autoren: Pamela Freeman
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Närrin. Und doch beharrte ein Teil von ihr darauf: So dürfte das nicht sein.
    »Hier entlang!«
    Die Stimme war wieder zu hören. Bramble teilte die Nadelzweige vorsichtig, bis sie auf die Lichtung schauen konnte. Dort waren zwei Männer, ein blonder und ein rothaariger, in der Kluft des Kriegsherrn der Südlichen Domäne, mit einem blauen Wappen auf der Schulter, um ihre Treuepflicht ihm gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Sie waren jung, etwa in ihrem Alter. Ihre Pferde waren in der Nähe des Pfads angebunden, der zu der Lichtung führte. Eines war ein dünner, dunkler Rotbrauner, der andere ein muskulöser Rotschimmel. Der Pfad endete hier, das wusste sie, und der Wald war von hier an, selbst zu Beginn des Frühjahrs, zu dicht, als dass zwei Berittene ihn hätten passieren können.
    »Ich weiß, dass ich ihn erwischt habe«, sagte der Blonde. »Immerhin habe ich ihn angeschossen.«
    »Wenn du ihm den Gnadenstoß geben willst, wirst du zu Fuß weitergehen müssen«, sagte der Rothaarige. Sie warfen einen prüfenden Blick auf das Unterholz, und dann schaute der Blonde auf seine glänzenden Stiefel hinab.
    »Ich habe mir die hier gerade erst gekauft«, klagte er. Sein Tonfall war scharf, als sei es die Schuld des anderen, dass seine Stiefel noch neu waren.
    »Dann lass es«, sagte der Rothaarige, der nun deutlich gelangweilt klang.
    »Ich wollte das Fell. Ich wollte immer schon ein Wolfsfell
haben.« Der Blonde zog die Stirn in Falten und zuckte dann mit den Achseln. »Ein andermal.«
    Sie drehten um, kehrten zu ihren Pferden zurück, stiegen auf und ritten davon, ohne sich noch einmal umzuschauen.
    Aufgebracht und nun noch wütender richtete sich Bramble auf. Er überließ ein verletztes Tier einem qualvollen Tod, damit er keine Kratzer auf seine Stiefel bekam! Oh, ist das nicht typisch !, dachte sie. Sie sind die Tiere, diese gierigen, rücksichtslosen, miesen Bastarde!
    Sie wartete ab, bis sie sicher sein konnte, dass die beiden nicht zurückkamen, und schwang sich dann den Baum hinunter. Sie zog ihr Messer aus dem Stiefel und machte sich auf die Suche nach dem Wolf.
    Sie folgte der Blutspur, bis diese in dem dichten Gestrüpp der Stechpalmen verschwand. Sie umging die spitzen Blätter und nahm die Fährte auf der anderen Seite wieder auf. In der Nähe des Wasserlaufes in der Mitte des Waldes endete sie schließlich.
    Der Wolf hatte sich taumelnd zum Trinken niedergelassen und stand nun mit zitternden Beinen am Ufer. Dann sah er Bramble und erstarrte vor Angst. Er hatte Schaum vor dem Mund, war völlig ausgetrocknet und blieb ganz ruhig. Schließlich ging er die letzten Schritte zum Wasser und trank. Der schwarz befiederte Pfeil, der Pfeil eines Gefolgsmannes des Kriegsherrn, ragte aus seiner Flanke.
    Nach dem Trinken brach er auf dem schlammigen Ufer zusammen, hechelte vor Schmerzen und schaute stumm flehend mit großen braunen Augen zu ihr auf.
    Leise ging Bramble auf ihn zu und machte dabei keine hektischen Bewegungen, um das Tier nicht aufzuschrecken. »Ist ja gut, ist ja gut, jetzt ist alles gut …«, summte sie genau so, wie sie es bei den Zicklein tat, die sie großzog, oder
den Ziegen, denen sie entbinden half. Langsam senkte sie die Hand, legte sie dem Wolf vorsichtig auf die Stirn, worauf das Tier jaulte wie ein Welpe. »Nicht mehr lange, nicht mehr lange«, sagte sie leise und strich dem Tier die Haare zurück, um seine Ohren zu fassen. Dabei schaute sie ihm ständig in die Augen, bis das Tier wegschaute, wie alle wilden Tiere sich dem Blick desjenigen entziehen, gegen den sie nicht kämpfen wollen. Dann schnitt sie ihm die Kehle durch, so rasch und schmerzlos wie sie konnte.
    Ohne auf die Tränen auf ihren Wangen zu achten, blieb Bramble sitzen und wartete, die Hand nach wie vor auf dem Tier, während das Blut in den Wasserlauf strömte und diesen rot einfärbte. Viel Blut war es nicht, denn er hatte schon reichlich davon verloren. Ihre Finger liebkosten seine Ohren, als könne er dies noch spüren. Dann erhob sie sich.
    Zögernd schaute sie auf das verklumpte Blut an seiner Flanke. Sie zog sich Jacke, Rock und Strumpfhose aus, um sich diese nicht schmutzig zu machen. Hoffentlich würden die Männer des Kriegsherren nicht ihre Meinung ändern und zurückkehren. Was dann passieren würde, konnte sie sich nur zu gut vorstellen.
    Ihr Messer war gerade scharf genug, um die Tierhaut zu durchtrennen. Sie musste den Tierkörper herumwuchten, um ihn zu häuten, und er war viel schwerer als erwartet.
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