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Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Die Prophezeiung der Schwestern - 1

Titel: Die Prophezeiung der Schwestern - 1
Autoren: Michelle Zink
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du und Alice.«
    Seine Worte hallen in meinem Kopf wider. Wie du und Alice.
    Und wie meine Mutter und Tante Virginia, und ihre Mutter und Tante davor , denke ich. »Aber was ist mit dem Wächter und dem Tor? Was soll das bedeuten?«
    Er zuckt leicht mit den Schultern und schaut mir in die Augen. »Tut mir leid, Lia. Diesen Teil verstehe ich auch nicht.«
    Mr Douglas’ Stimme schallt durch die Eingangshalle und wir schauen zur Tür der Bibliothek. Dann wende ich mich wieder James zu, während die Stimme seines Vaters lauter wird und sich der Tür nähert.
    »Hast du die ganze Seite übersetzt?« »Ja. Ich … Nun, ich habe es für dich aufgeschrieben.« Er greift in seine Westentasche. Mr Douglas’ Stimme ist jetzt direkt vor der Tür. Anscheinend will er uns taktvoll wissen lassen, dass er gleich hereinkommen wird.
    » Aber gerne, Virginia. Tee wäre ganz reizend! «
    Ich lege die Hand auf James’ Arm. »Kannst du mir die Übersetzung nachher mit zum Fluss bringen?« Am Fluss ist unser üblicher Treffpunkt, obwohl wir uns dort normalerweise nicht mit etwas so Staubigem wie Büchern beschäftigen.
    »Nun … ja. In der Mittagspause? Treffen wir uns dann?«
    Ich nicke und gebe ihm das Buch zurück, als sein Vater durch die Tür tritt.

    »Ah, hier ist es! Du siehst, James, es ist genau so, wie ich immer sage - ich werde alt und vergesslich.« Mr Douglas schwenkt das ledergebundene Hauptbuch durch die Luft.
    James lächelt strahlend. »Unsinn, Vater. Du hast einfach zu viel im Kopf, das ist alles.«
    Ich verfolge ihre scherzhafte Auseinandersetzung nur mit halbem Ohr. Warum war ein Buch in unserer Bibliothek versteckt? Es sieht meinem Vater ganz und gar nicht ähnlich, etwas so Seltenes und Faszinierendes nicht mit uns anderen zu teilen, aber ich vermute, er hatte seine Gründe.
    Und ich habe meine Gründe dafür, dass ich mehr darüber wissen will.
    Es kann kein Zufall sein, dass mein Vater tot auf dem Fußboden des dunklen Zimmers gefunden wurde, dass ich kurz darauf das Zeichen auf meinem Handgelenk entdeckte, meine Schwester bei diesem unheimlichen Ritual beobachtete und jetzt dieses merkwürdige und geheimnisvolle Buch erhalte. Ich weiß nicht, was das alles bedeutet oder wie die Ereignisse zusammenhängen, aber ich bin sicher, dass es eine Verbindung gibt.
    Und ich habe vor, das Rätsel zu lösen.

4
     
     
     
     
    H enry und Edmund sind nicht mehr am Fluss. Edmund hat sich schon immer rührend um Henry gekümmert und wird es vermutlich in Zukunft umso mehr tun, jetzt, da Vater nicht mehr da ist. Die Luft ist kühl geworden, eine Vorahnung auf den nahenden Winter, und die Sorge um Henrys Wohlergehen ist uns allen in Fleisch und Blut übergegangen.
    Ich folge dem Weg bis zum Ende der Terrasse, gehe in den Wald hinein und zu dem Felsen, der im Schutz einer riesigen Eiche liegt, zu James’ und meinem Felsen. Ich lasse mich darauf nieder und merke, wie alle Anspannung von mir abfällt. Nichts Schlimmes oder Bedrohliches, so scheint es mir, kann mir hier geschehen. Als ich James schließlich kommen höre, bin ich beinahe davon überzeugt, dass alles so ist, wie es sein soll.
    Ich lächle ihm entgegen, schaue zu ihm hoch, wie er, in Sonnenlicht gebadet, vor mir stehen bleibt. Er nimmt
meine Hand und zieht mich, seinerseits lächelnd, zu sich empor. »Bitte entschuldige. Wir mussten den Bereich Religionsgeschichte noch fertigstellen. Vater wollte die Arbeit abschließen, bevor wir eine Pause machen. Wartest du schon lange?«
    Er zieht mich an sich, aber mit einer neuen Sanftheit, als ob der Verlust meines Vaters mich zerbrechlicher gemacht hätte. Und ich vermute, dass es so ist, obwohl ich es nicht zugeben will. Nur James, der mich so gut kennt, der mich so innig liebt, sieht meinen Schmerz, obwohl ich äußerlich unverändert bin.
    Ich schüttele den Kopf. »Nein, gar nicht. Außerdem fällt es mir an diesem Ort nicht schwer, auf dich zu warten - an einem Ort, der mir die Wartezeit mit Erinnerungen an dich versüßt.«
    Er legt den Kopf schräg, streckt die Hand aus und fährt mit einem Finger die Konturen meines Gesichts nach, von den Locken an meinen Schläfen über die Schräge meines Wangenknochens bis zur Wölbung meines Kinns. »Mich erinnert alles an dich.«
    Er senkt seinen Mund meinen Lippen entgegen. Sein Kuss ist sanft, doch bedarf es nicht der fordernden Härte seines Mundes, um das Verlangen in seinem Körper zu spüren, das in meinem widerhallt. Er tritt zurück, in dem Versuch, mich zu schonen,
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