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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin
Autoren: wood
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Ich war wie besessen von dem Gedanken, den ersten Teil zu finden.« Sie blickte aus dem Fenster und lächelte wehmühtig. »Ich hatte keine Ahnung, daß es sich bei dem Text um insgesamt sieben Schriftrollen handelt. Ich habe zwanzig Jahre nach etwas gesucht, das mich zu den anderen Rollen führen würde, und dabei stieß ich auf die Handschrift des Thomas von Monmouth. Sie befand sich im Klosterarchiv. Als ich hierherkam und sie las, wurde mir klar, daß sie Fehler enthielt. Das bestärkte mich nur in meinem Entschluß herauszufinden, wer die Verfasserin ›meiner‹ Schriftrolle war. Am Ende bin ich jedoch hier im Kloster geblieben.«
    Sie wurde unruhig und stand auf. »Mich quälte das schlechte Gewissen. Mir war klargeworden, daß ich irrtümlich die Asche einer Christin entfernt hatte. In jungen Jahren war ich sehr fromm und bildete mir viel auf meine Religion ein. Ich fand es völlig in Ordnung, die Überreste von Heiden respektlos zu behandeln.
    Aber als ich auf die Handschrift von Thomas stieß, war ich bereits älter und hatte gelernt, alle Religionen zu achten. Deshalb fühlte ich mich doppelt schuldig. Ich habe der Asche dieser Frau, einer Christin, nicht die richtige Achtung entgegengebracht. Als Buße trat ich in den Orden ein. Später wurde ich Äbtissin des Klosters.«
    Sie sah Michael an. »Es tut mir leid, Vater, daß ich Sie durch mein Schweigen belogen habe. Als Sie und Dr. Alexander hierherkamen, war ich überrascht. Ich hatte keine Nachrichten gehört und wußte nicht, daß Sie im Besitz von Sabinas Geschichte waren. Mir blieb nur die Möglichkeit, auf meine innere Stimme zu hören. Ich mußte beten. Ich mußte Gott bitten, mich zu führen.« Sie wandte sich an Catherine. »Als Sie in jener Nacht, nachdem Sie mit Dr. Voss gesprochen hatten, zu mir kamen und sagten, Sie seien in Gefahr und müßten fliehen, gab es für mich keinen Zweifel daran, daß ich Ihnen helfen mußte. Beinahe hätte ich Ihnen sogar von der siebten Rolle erzählt, aber irgend etwas hielt mich davon ab.«
    »Das war eigentlich gut so«, sagte Michael nachdenklich. »Denn sonst hätte das FBI alles beschlagnahmt.«
    »Ja«, bestätigte die Äbtissin. »Als die Beamten hier aufgetaucht sind, um mit Dr. Alexander zu sprechen, wurde mir klar, was ich zu tun hatte. Also habe ich ihr das kleine Büchlein geschickt.«
    »Ist sie hier?« fragte Catherine. »Ist die siebte Rolle hier?«
    »Ja. Sie können sie lesen, wann immer Sie wollen.«
    »Ehrwürdige Mutter«, sagte Catherine, »erzählt sie das Ende von Sabinas Geschichte?« Die Äbtissin lä-
    chelte. »Das müssen Sie selbst entscheiden.«

    »Das ist vielleicht eine Kälte«, schimpfte Raphael, als sie durch den verschneiten Wald hinter dem Kloster stapften. »Ich bin froh, wenn dieser Auftrag endlich erledigt ist.« Zeke erwiderte nichts. Er konzentrierte sich auf die steinernen Türme vor ihnen und auf die hohen Mauern, die den alten Nonnen einen zweifelhaften Schutz gewährten. »Machen wir, daß wir schnell rein- und wieder rauskommen«, hatte Raphael gesagt, als sie in Greensville ankamen. »Ich hasse Schnee. Ich freue mich schon auf Borneo.« Er lachte. »Ja, auf den heißen, dampfenden Dschungel.«
    Der Papyrus war noch eine Rolle mit Stäben an beiden Enden. Catherine und Michael sahen erstaunt etwas, das sie nicht erwartet hatten. Ganz unten auf der letzten Seite befanden sich die Unterschriften von Sabina und Perpetua.
    Die sechste Rolle hatte mitten in dem Satz geendet; »Ich fürchtete mich vor…«, und die siebte Schriftrolle begann mit den Worten: »diesem dunklen, schrecklichen Reich.«

    … diesem dunklen, schrecklichen Reich.
    Ich hatte zwar den größten Teil meines Lebens in den Wäldern verbracht, doch ich war immer mit meiner Familie zusammen dort gewesen. Jetzt war ich allein und lief um mein Leben. Die Bilder des Gemetzels standen mir noch lebendig vor Augen, und plötzlich waren die Wälder nicht mehr freundlich. Die Geister und Gespenster, die darin wohnten, waren zwar die Götter, die das Volk meines Mannes verehrte, doch ich empfand sie als gefährlich und hatte schreckliche Angst. Schlimmer als das war jedoch meine Verzweiflung darüber, daß meine Familie tot war, ich sie aber nicht zum rechten Glauben bekehrt hatte. Verfolgt von dieser schrecklichen Seelenqual rannte ich immer tiefer in den Wald. Die herabhängenden Zweige zerkratzten mir die Arme und das Gesicht. Ich dachte an die Abende am Feuer, wenn ich meiner Familie vom Weg des Gerechten
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