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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin
Autoren: wood
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nicht. Dieser Lohn erwartet alle, die daran glauben, daß sie den Tod überwinden, sei es, daß sie auf das Nirwana des Buddha hoffen, auf das westliche Reich der Isis oder auf das Schalimar der Shakti, denn damit hat mich der Gerechte getröstet, als er sagte: »Das Haus meines Vaters hat viele Wohnungen.« Er bereitet für jeden von uns ein Paradies vor, je nachdem, was wir glauben.
    Ich erzählte meinen Kindern, daß im Leben nach dem Tod wunderbare Dinge auf sie warten. Sie sind so jung gestorben, daß sie keine Zeit hatten, ihren Glauben zu entwickeln. Ich dachte, das kann nicht bedeuten, daß sie zu einem künftigen Leben verdammt sind, das wie der formlose Nebel über einem See ist. Ich habe den Kindern Geschichten von dem erzählt, was hinter dem Sichtbaren liegt, und es ist mir jetzt ein Trost zu wissen, daß die drei, die mir so früh genommen wurden und vielleicht auch Pindar, an meine wunderbaren Geschichten geglaubt haben, als sie die Augen für immer schlossen, jetzt sind sie dort in jenem Reich der Legenden und Träume. Sie leben in Freuden und warten auf mich.
    Nun aber, liebe Amelia, zur letzten und wundervollsten Nachricht von allem…

    »Was war das?« sagte Michael plötzlich. Catherine hob den Kopf. »Es klang wie ein Schuß.«
    »Ich nehme an, da ist irgend jemand auf der Jagd«, sagte die Äbtissin. »Wissen Sie, um diese Jahreszeit…«
    Das altmodische Telefon auf dem kleinen Schreibtisch klingelte, und sie zuckten unwillkürlich zusammen.
    Die Äbtissin nahm ab und reichte Catherine nach ein paar Worten den Hörer. »Für Sie«, sagte sie. »Ihr Verlobter.«
    »Julius? Wie -?« Sie sah Michael an.
    »Ich bin eben ein Priester«, sagte er lächelnd. »Ich mische mich manchmal auch ungefragt in anderer Leute Leben ein.« Julius rief aus Kairo an. Die Verbindung war schlecht, und er schrie so laut, daß selbst die Äbtissin und Michael es hörten. »Du mußt sofort in den Sinai kommen!« Seine Stimme klang aufgeregt.
    »Hier gibt es etwas, das du unbedingt sehen mußt!«

    Scharm el-Scheich, Sinai

    Es war ein merkwürdiges Gefühl, ohne Danno hier zu sein. Noch merkwürdiger war es, zu sehen, daß die Zelte verschwunden und beinahe alle Spuren des Lagers beseitigt worden waren. Der Grabungsplatz war mit Seilen abgesperrt, und Schilder verboten den Zutritt.
    Die Luft war aber dieselbe – kühl und salzig. Die Sonne strahlte, und der Himmel war immer noch endlos und blau. Aber es war nicht mehr derselbe Platz. Alles hatte sich verändert. Catherine blickte hinüber zu der Stelle, wo Hungerfords Männer vor dreiundzwanzig Tagen beim Sprengen das Jesus-Fragment ans Licht befördert hatten.
    Julius hatte ihr auf der Fahrt von Kairo hierher keine Erklärungen gegeben, sondern nur gesagt: »Da ist etwas, das ich dir zeigen will.«
    Catherine hatte Michael gebeten mitzukommen. Doch er hatte mit der Begründung abgelehnt, er müsse seine Exerzitien beenden und dann Pläne für seine Rückkehr in den Vatikan machen. Catherine vermutete, daß Michael der Ansicht war, diese Reise müßten sie und Julius allein unternehmen. Als sie aus dem Landrover stieg, überraschte es sie nicht, den Beamten des ägyptischen Kulturministeriums zu sehen. Er machte ein finsteres Gesicht, aber er blieb demonstrativ neben Mr. Mylonas stehen, der ihr freundlich zuwinkte.
    Auch Samir, ihr Assistent, der ihr bei der Flucht geholfen hatte, stand da und lächelte verlegen.
    Catherine folgte Julius durch den Sand. Es wirkte alles irgendwie verlassen, nachdem die Welt mit dem Anbruch des neuen Jahrtausends die alte geblieben war und die Menschheit nicht mehr mit einer drohenden Apokalypse rechnete. »Das wollte ich dir zeigen«, sagte Julius, als sie den Brunnen erreichten. Über der Öffnung lag eine Plane, die an den Rändern mit Steinen beschwert war. »Als ich dich an jenem Abend im Kloster gebeten habe, mit mir nach Kalifornien zurückzukommen, weil ich der Ansicht war, daß es keine siebte Schriftrolle gibt, hast du dich geweigert. Am nächsten Morgen warst du weg. Du bist geflohen, um nicht festgenommen zu werden und um zu verhindern, daß die sechs Bücher anderen in die Hände fallen.
    Da wurde mir bewußt, daß ich mich in meinem ganzen Leben noch nie mit etwas identifiziert hatte, sei es mit einer Sache oder mit einem Menschen, so wie du mit den Schriftrollen. Ich war nie bereit gewesen, mich für etwas zu opfern.«
    Er nahm die Sonnenbrille ab und sah sie mit seinen dunklen Augen an, in die sie sich vor zwei Jahren
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