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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin
Autoren: wood
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lautlos das Grabmal der Julia Mater.
    »Ora pro nobis!« flüsterte Kardinal Lefevre und bekreuzigte sich, denn es lag nichts in Amelia Valerias Sarkophag – keine Schriftrolle, kein Skelett, nicht einmal Asche. »Ich vermute…«, sagte der Kardinal in einem Ton, den Catherine nicht deuten konnte – war er enttäuscht oder triumphierte er insgeheim? –, »…
    das Grab ist vor langer Zeit ausgeräumt worden. Vielleicht hat man es schon damals geöffnet, als Konstantin befahl, die Nekropole zuzuschütten.« Er seufzte, und Catherine wußte wieder nicht, ob in dem Seufzen Erleichterung oder Enttäuschung lag. »Die ganze Mühe war vergebens.«
    Catherine sah sich in dem hell erleuchteten Grab um. Sie betrachtete aufmerksam die Nischen, die Ecken und selbst die Fresken – nirgends konnte eine Schriftrolle versteckt sein. Sie warf noch einmal einen Blick in den Sarkophag. Er wirkte unbenutzt. Darin war niemals ein Mensch begraben worden. Aber wo war Amelia?
    Kardinal Lefevre wandte sich an Michael. »Ich muß jetzt zu Seiner Heiligkeit. Wir sprechen uns in den nächsten Tagen, Vater Garibaldi.«
    »Jawohl, Eminenz.«
    Sie verließen das Grab und gingen durch die Straßen der Toten. Ihre Schatten bewegten sich an den Wänden wie eine Begräbnisprozession aus alter Zeit, ein Zug der Trauernden. Michael griff verstohlen nach Catherines Hand. Er sah sie entschuldigend und voll tiefem Bedauern an.
    Sie drückte seine Hand. »Ein gutes Neues Jahr«, wollte sie zu ihm sagen. Aber nichts war gut. Es kam ihr vor, als sei der Petersdom schließlich doch noch über ihnen zusammengestürzt. Als sie an Zekes Versteck im Grabmal der Julia Mater vorübergingen, wohin er sich wieder zurückgezogen hatte, sahen sie weder ihn noch sein Lächeln.
    Zeke war der einzige, der mit der Wendung der Dinge zufrieden war. Er hatte nicht gewollt, daß für Catherine Alexander alles so schnell vorbeisein sollte. Er wollte es ihr heimzahlen. Sie hatte ihm eine Niederlage nach der anderen zugefügt. Das würde sie büßen. Havers hatte bereits durchblicken lassen, daß es ihm nicht gefiel, wie Zeke die Alexander auf eigene Faust verfolgt hatte, ohne ihm Bericht zu erstatten, ohne ihm die Entscheidung zu überlassen, wie er, Zeke, weiter vorgehen sollte. Zeke war wie immer gezwungen gewesen, sich den Forderungen von Havers zu beugen, sonst wäre er für seine Arbeit nicht bezahlt worden. Nun war sein Vertrag erfüllt. Es gab keine Schriftrolle. Zeke konnte nach Hause gehen und sein Geld abholen.
    Er würde sich nach dieser Demütigung und der schlechten Behandlung jedoch endgültig von Miles Havers verabschieden. Und alles andere einfach vergessen?
    Nein, das gab es bei ihm nicht! Er würde sich rächen, aber an einem Ort und zu einer Zeit, die er bestimmte. Dann mußte er nicht mit einem Handy am Ohr auf den Befehl warten, das zu tun, wozu andere sich zu fein waren. Er würde töten, aber auf seine Art.

    Das neue Jahrtausend

    Samstag, 1. Januar 2000
    Santa Monica, Kalifornien

    Catherine hatte ein seltsames Gefühl. Sie war in den vergangenen Jahren oft von hier abgereist und manchmal erst nach Monaten wiedergekommen, doch diesmal hatte sie zum ersten Mal bei ihrer Rückkehr das Gefühl, eine fremde Wohnung zu betreten.
    Der wöchentliche Reinigungsdienst hatte die Wohnung saubergehalten, doch die Atmosphäre war so steril, als lebe hier niemand.
    Nur der Stapel Zeitungen und die Post auf dem Eßtisch erwarteten sie. Der Anrufbeantworter hatte 99 Anrufe registriert; weiter ging das Zählwerk nicht.
    Catherine hatte weder für Zeitungen und Post noch für die Anrufe das geringste Interesse.
    Sie wollte nur schlafen, lange schlafen und dann Anfang Dezember 1999 aufwachen und feststellen, daß sie schlecht geträumt hatte.
    Sie wußte nicht, was grausamer gewesen war: die siebte Rolle nicht gefunden zu haben oder die Trennung von Michael. Beim Abschied auf dem Flughafen in Rom hatte sie die Hilflosigkeit in seinen Augen gesehen.
    »Was wirst du jetzt tun?« hatte er gefragt. Catherine war als ›Schwester Elisabeth aus dem Kloster Greensville‹ in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt. Sobald sie wieder einen klaren Kopf hatte, wollte sie nach Santa Barbara fahren und zur Polizei gehen. Sie vermutete, daß sie Havers nicht mehr fürchten mußte. Andere Nachrichten beherrschten die Schlagzeilen, nachdem die Jahrtausendwende schon ein alter Hut war und der Vatikan offiziell verkündet hatte, er sei an den Schriftrollen nicht interessiert.
    Kardinal
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