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Die programmierten Musen

Die programmierten Musen

Titel: Die programmierten Musen
Autoren: Fritz Leiber
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wenig ausstaffiert von Zane Gort. Und wir können uns jetzt wirklich die Hand schütteln. Ich verspreche auch, daß ich nicht kneife.«
     
     

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    »Projekt L war einfach die Abkürzung für Projekt Levitation«, erklärte Zane Gort, als die Ordnung wiederhergestellt und Flaxman ein wenig zu sich gekommen war – wenn er auch noch etwas bleich um die Kiemen wirkte und sich an einem doppelten Bonnie Lunar Dew festhielt. »Es war reine Ingenieursarbeit ohne neue wissenschaftliche Nutzanwendungen!«
    »Glaubt ihm das ja nicht, Leute«, schaltete sich Küken ein, der auf Zanes Schulter hockte. »Dieser Roboter besteht nur zu fünfzig Prozent aus Blech – der Rest ist reinstes Genie.«
    »Mund halten – ich bin dran«, sagte Zane. »Nein, ich machte lediglich Gebrauch von der Tatsache, daß Antischwerkraftfelder für kleine Objekte schon seit mehreren Jahren technisch darstellbar waren. Der Feldgenerator befindet sich in der Plattform an Kükens Unterseite. Küken steuert das Feld und neigt es, um auf eine einfache Art zu fliegen, die ich gleich noch erklären werde. Ebenso kontrolliert er die Skelettgreifer, die ihm als Hände dienen.
    Tatsächlich hätte sich diese Anlage – mit Ausnahme des Antischwerkraftgeräts – schon vor hundert Jahren realisieren lassen. Schon als die Gehirne in ihre Hüllen getan wurden, hätte man ihnen Greifer und eine Möglichkeit der Fortbewegung geben können. Aber fast ein Jahrhundert lang geschah überhaupt nichts, es wurde nicht einmal daran gedacht. Um diese erstaunliche Fehlleistung zu erklären, muß ich auf einen gewissen Daniel Zukertort und den sehr interessanten und nachhaltigen Einfluß zu sprechen kommen, den er auf seine Schöpfungen hatte. Dieser alte Knabe hat die Entwicklung mehr gesteuert (ja, und verfälscht), als man sich bisher klargemacht hat.
    Daniel Zukertort wollte konzentrierte Geister schaffen, Gehirne völlig ohne Körper. Wie er selbst sehr wohl wußte, hat er das natürlich nicht erreicht, denn die Gehirne haben ebenso einen Körper wie ein Elefant oder eine Amöbe oder ein Roboter – ich meine, sie verfügen über Nervengewebe, über ein zurechtgestutztes Drüsensystem, einen Kreislauf, der allerdings von einer Isotopenpumpe angetrieben wird, und ein Verdauungs- und Ausscheidungssystem, das von der Sauerstoff-Mikroregeneration und der Spurennahrung und den Spurenabfallprodukten in der Fontanelle abhängt.
    Aber Zukie wollte nicht, daß die Eier sich für Körperwesen hielten, er wollte diese Tatsache unterdrücken, damit sie sich um so besser auf ewige Weisheiten und auf das Reich der Gedanken konzentrieren konnten und sich nicht wieder dem Umgang mit der wirklichen Welt zuwandten, sobald sie sich ein wenig langweilten. Also machte sich Zukertort daran, die Weichen zu stellen.«
    Auf Flaxmans Tisch begann das Telefon zu blinken. Der Verleger winkte Schwester Bishop zur Seite, schnappte sich den Hörer und bedeutete Zane, weiterzumachen.
    »Nun zu Zukertorts Vorbereitungen«, sagte der Roboter. »Zunächst wählte er als Kandidaten Künstler und humanistische Autoren aus – Männer und Frauen, die sich für die Technik nicht interessierten und sich zum Beispiel eine Hand nicht als eine Art Greifer oder Schaufel oder einen Fuß auch nicht als eine Art Rad vorstellen konnten.
    Weiterhin war die Physiologie auf Zukertorts Seite, denn das Gehirn selbst kennt kein Gefühl, kennt keinen Schmerz oder irgend etwas ähnliches. Berührt man ein Gehirn oder foltert es etwa, ergibt sich kein Schmerz, sondern nur eine Reihe verrückter Empfindungen.
    Zukertort ließ seinen Gehirnen nur das absolute Minimum an Sinnen und Fähigkeiten. Augen und Gehör, aber keinen der irdischeren, handfesteren Sinne. Und natürlich das Sprechvermögen. Darum kam er nicht herum, denn die Menschheit sollte ja von den geistigen Entdeckungen erfahren, die die Gehirne dort draußen im Nichts machten.
    Dafür gestaltete er die Vorschriften der Station so, daß sich die Eier selbst für hilflose Invaliden und Gelähmte halten mußten und auch so angesehen wurden. Er bestand sogar auf allen möglichen überholten hygienischen Anweisungen – so müssen die Krankenschwestern zum Beispiel Masken tragen. Er wollte, daß sich die Eier vor allen Aktivitäten außer der geistigen fürchteten. Dabei machte er sich die beiden stärksten menschlichen Sehnsüchte zunutze: den Drang der Gehirne, auf ewig hilflos zu sein und umsorgt zu werden, und den Wunsch der Schwestern, die Gehirne zu bemuttern
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