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Die programmierten Musen

Die programmierten Musen

Titel: Die programmierten Musen
Autoren: Fritz Leiber
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aufgestellt und ein paar Silbergirlanden gezogen, Engstrand hatte ein Büffet geliefert – und die Rolltreppe war wieder einmal munter in Bewegung.
    Die Tür mit dem Elektroschloß war allerdings wohl ein wenig zu gut repariert worden: zu Flaxmans Entsetzen neigte sie jetzt dazu, im unrechten Moment aufzugehen, ohne daß eine Ursache sichtbar war oder jemand einen Finger auf die Kontrollknöpfe gelegt hätte; ein paar schwere Hammerschläge Wächter-Joes hatten das Problem jedoch anscheinend wieder beseitigt.
    Die Partner hatten beschlossen, alle angefallenen Manuskripte selbst zu lesen, so daß auf jeden fünfzehn Texte entfielen, die willkürlich ausgewählt und ohne Kennzeichnung vorgelegt wurden. Beide hatten Prestissimo-Pillen genommen, die ihre Lesegeschwindigkeit um etwa das Zehnfache erhöhten, und die endlosen Bögen der Stimmenschreiber liefen mit nervös-hastigem Ruck über die Bildschirme ihrer beiden Lesemaschinen.
    Cullingham ließ sich mit jedem Textruck ein wenig mehr Zeit als sein Partner, doch ließ er den Text auch in größeren Blöcken weiterspringen. Der blonde Lektoratsleiter zeigte keinerlei Müdigkeit nach seinem achtundvierzigstündigen Intermezzo mit der wilden Vollblutfrau und holte vor Flaxman sogar nach und nach einen Vorsprung heraus, der bei Halbzeit ein halbes Manuskript betrug – wie Gaspard, der mit Zane eine kleine Wette abgeschlossen hatte, zu seinem Leidwesen feststellte; soweit man sagen konnte, ließ keiner der beiden Männer eine Textstelle aus.
    Alle Getreuen des Raketen-Verlages waren gekommen; niemand hätte sich die Gelegenheit entgehen lassen, die beiden Partner zur Abwechslung einmal richtig arbeiten zu sehen.
    Gaspard war zugegen mit Schwester Bishop, Zane mit Miß Rosa, und auch die beiden Zangwell-Brüder, die nebeneinander saßen. Pop Zangwell war frisch gebadet und sehr bleich und im großen und ganzen sehr still, doch er hatte die Angewohnheit, sich von Zeit zu Zeit die Spitze seines Bartes um das Handgelenk zu wickeln und mit leerem besorgtem Blick auf das Getränketeil des Büffets zu starren, das für ihn verbotenes Territorium bedeutete.
    Besonders Gaspard hatte befürchtet, daß Heloise Ibsen der Sache einen falschen oder zumindest groben Beigeschmack geben würde, doch wie es der Lady eines Lektoratsleiters geziemte, war sie herausgeputzt und mit gewaltigem Dekollete erschienen, hatte alle Leute mit großer Liebenswürdigkeit behandelt und saß jetzt still etwas abseits und lächelte Cullingham, wenn er ab und zu von seinen Derbypflichten aufsah, ruhig an.
    Sogar Miß Willow war anwesend – wie es sich herausstellte, lief Cullinghams Mietvertrag noch drei Tage. Weil Flaxman ihre Gegenwart als störend empfand, hatte man im letzten Moment ein weißes Tuch über sie geworfen – was sie dem Verleger sicherlich nicht weniger unheimlich machte.
    Aus stillschweigender Rücksichtnahme auf Flaxmans Schwäche hatte man davon abgesehen, die Eier selbst herüberzuholen. Statt dessen war zwischen Station und Büro eine Fernsehverbindung geschaffen worden. Leider war die Schaltung nicht ganz einwandfrei, und der große Schirm wurde von Zeit zu Zeit schwarz oder überzog sich mit wilden Mustern. Im Augenblick jedoch zeigte er Miß Jackson, die von einer Batterie kleiner Fernsehaugen umgeben war; trotz übertrieben gespielter Gleichgültigkeit und einsam-intellektueller Grandeur zeigten die Eier doch beträchtliches Interesse an der Beurteilung ihrer heruntergeschriebenen Meisterwerke, die ausnahmslos zum angegebenen Stichtag fertig gewesen waren. Besonders Küken hatte seit seiner Rückkehr in die Station mit absoluter Höchstgeschwindigkeit und ohne Unterbrechung geschrieben.
    Den beiden Partnern machte es insgeheim Spaß, vor einem so großen Publikum zu arbeiten; tatsächlich kannten sie auch keine andere Möglichkeit, überhaupt etwas Produktives zustande zu bringen. Sie enthielten sich aller Bemerkungen und ließen sich ihre Reaktionen – ob nun positiv oder negativ – auch dann nicht anmerken, wenn sie die Rollen wechselten – was bei den anderen nervöse Erregung hervorrief. Geflüsterte Gespräche summten durcheinander.
    »Ich habe gestern abend noch im Fall Maurizius gelesen«, bemerkte Gaspard kopfschüttelnd. »Junge, Bishop, wenn das ein Beispiel für die alten Krimis ist, möchte ich nicht wissen, wie damals die eigentliche Literatur gewesen ist!«
    »Beeil dich damit«, erwiderte sie. »Die Eier haben noch eine Detektivgeschichte für dich ausgesucht,
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