Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die programmierten Musen

Die programmierten Musen

Titel: Die programmierten Musen
Autoren: Fritz Leiber
Vom Netzwerk:
und zwar von einem alten russischen Meister der Spannung – Die Brüder Karamasow. Danach darfst du dich mit einem kleinen Nervenkitzler entspannen, der ein irisches Begräbnis zum Thema hat: Finnegans Wake , dann mit einigen leichten Gesellschaftsreminiszenzen, betitelt Erinnerungen , anschließend mit einem Schwerterdrama, König Lear , mit einem Märchen, Der Zauberberg , und mit einer Schnulzengeschichte über das Auf und Ab schicksalsgeprüfter Familien – Krieg und Frieden , wie das wohl hieß. Wie sie mir sagen, haben dir die Gehirne schon eine Menge leichten Lesestoff ausgesucht, wenn du mit den beiden Krimis fertig bist.«
    Gaspard zuckte die Achseln. »Solange sie mir nur die alte Literatur vom Hals halten, werd ich’s wohl schaffen – die bleibt mir ewig ein Geheimnis. Aber sag mal, ein anderes Geheimnis reizt mich um so mehr – Zanes Projekt L.«
    »Hat er dir noch nicht davon erzählt? Du bist doch mit ihm befreundet.«
    »Kein Wort hat er gesagt! Weißt du denn etwas darüber? Küken ist auf jeden Fall informiert.«
    Schwester Bishop schüttelte den Kopf und grinste. »Wir haben unser eigenes Geheimnis«, flüsterte sie und drückte ihm die Hand.
    Gaspard erwiderte zärtlich den Druck. »Wen halten denn die Eier für den Favoriten des Derbys?«
    »Darüber sprechen sie sich nicht aus. Noch nie haben sie so geheimnisvoll getan – das macht mir Sorgen.«
    »Vielleicht sind alle Manuskripte toll«, sagte Gaspard grandios optimistisch. »Dreißig Bestseller aus dem Hut!«
    Der Stapel ungelesener Rollen wurde kleiner, und die Spannung verschärfte sich – was auch durch Wächter-Joe dokumentiert wurde, der immer größere Mühe hatte, Pop von den Drinks fernzuhalten –, als Gaspard plötzlich den stählernen Ellenbogen Zanes in der Seite spürte, der mit Umsicht für Heloise Ibsen einen Teller füllte.
    »Gaspard«, flüsterte der Roboter, »ich muß dir etwas erzählen.«
    »Projekt L?« fragte Gaspard hastig.
    »Nein – etwas viel Wichtigeres, jedenfalls für mich persönlich. Es ist etwas, das ich einem anderen Roboter niemals anvertrauen würde. Gaspard, Miß Rosa und ich sind in den beiden letzten Nächten zusammen gewesen – intim.«
    »Und war es schön, Zane?«
    »Unglaublich sogar! Aber was ich mir nicht klarmachte, Gaspard, was mich wirklich verblüffte und irgendwie sogar störte, was ich absolut nicht erwartete – Miß Rosa ist eine ausgesprochene Enthusiastin!«
    »Du meinst, Zane – es belastet dich, daß sie vielleicht schon vorher …«
    »O nein, nein, nein. Sie war völlig unschuldig – das läßt sich feststellen –, und doch ist sie sofort begeistert darauf angesprungen. Sie wollte immer wieder, daß wir uns einstöpselten – und für lange Perioden!«
    »Ist denn das schlimm? Halt, da kommt Pop – nein, Joe hat ihn erwischt!«
    »Nein, das ist nicht schlimm, Gaspard, aber es kostet soviel Zeit, besonders wenn man sich ein solches gemeinsames Leben auf längere Sicht vorstellt. Weißt du, der Augenblick der Vereinigung zwischen Roboter und Robix ist der einzige Zeitpunkt, da ein Roboter nicht denkt – sein Geist tritt in eine Art ekstatische elektronische Trance, eine Ohnmacht mit wildem Blitzezucken. Nun bin ich es aber gewöhnt, vierundzwanzig Stunden am Tag zu denken, rund um die Uhr, und die Vorstellung, daß große Teile dieser Denkzeit verlorengehen, beunruhigt mich doch sehr. Gaspard, ich weiß, du kannst das nicht ermessen, aber bei unserem letzten Kontakt waren Miß Rosa und ich ganze vier Stunden eingestöpselt!«
    »Oh-oh, alter Bolzen«, bemerkte Gaspard, »da hast du jetzt ein paar von den Problemen, die mich mit der Ibsen plagten.«
    »Aber was gibt es da für eine Lösung? Wann soll ich denn schreiben?«
    »Wäre es denkbar, Zane, daß du nicht mehr unbedingt an der Monogamie des Dr.-Tungsten-Autors festhältst? Auf jeden Fall hielte ich ein paar Reisen oder ein bißchen Herumflattern für angebracht. Moment, sie sind mit dem Lesen fertig. Cullingham liegt eine ganze Rolle vorn! Wir reden später weiter – ich muß zu Miß Bishop.«
    G. K. Cullingham lehnte sich zurück, flatterte mit den Lidern und kniff schließlich die Augen zusammen. Diesmal erwiderte er Heloises Lächeln nicht, sondern neigte nur den Kopf. Dann sagte er mit quäkend-überstürzter Stimme: »Wie-wär’s-mit-einer-Konferenz-Flaxy-ehe-du-mit-dem-letzten-anfängst?«
    Seine Stimme versuchte sich der drogenbeschleunigten Lesegeschwindigkeit anzupassen. Er berührte einen Kontrollknopf,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher