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Die Prinzessin auf der Erbse

Die Prinzessin auf der Erbse

Titel: Die Prinzessin auf der Erbse
Autoren: Nina Jansen
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den Atem an. In seiner schwarzen Reitkleidung, mit glänzenden Stiefeln und Handschuhen, sah er auf hinreißende Art gefährlich aus, zumal er sich an diesem Morgen nicht rasiert hatte und ein dunkler Schatten seine Wangen und sein Kinn bedeckte.
    Dass Verena, die heute ein praktisches Wollkleid trug, sich bei ihm untergehakt hatte, gefiel Riana jedoch gar nicht.
    Die beiden gingen auf die Pferde zu, Richard begrüßte seinen Rappen mit einem freundlichen Klopfen auf den Hals. Verena bat um eine Aufsteighilfe. Umständlich und erst nach mehreren Versuchen schaffte sie es, sicheren Halt im Damensattel zu finden. Riana sah die beiden einen Weg am See entlang einschlagen und beschloss spontan, ihnen zu folgen.
    Sie wartete, bis die Stallburschen ebenfalls fort waren, dann lief sie in den Stall und sattelte Molli. Mit elegantem Schwung saß sie auf. Sie nahm den Weg auf der anderen Seite des Sees. Sicher würden die beiden spätestens dann rasten, wenn sie das ferne Ende des Sees erreicht hatten. Wenn Riana vor ihnen dort war, konnte sie sich ein Versteck suchen und ihr Gespräch belauschen. So bekäme sie vielleicht endlich Gewissheit, ob Richard in Gefahr war, eine Frau zu ehelichen, die ihn mit Lügen umgarnte.
    Sie verfiel bald in einen leichten Galopp. Es war ein wunderschöner Morgen. Das Sonnenlicht spielte mit den Blättern der Bäume, die das Ufer säumten. Riana verspürte ein ungeheures Freiheitsgefühl und eine tiefe Liebe zu den Geschöpfen des Waldes.
    Nach etwas über einer Stunde erreichte sie die dem Schloss gegenüberliegende Seite des Sees, wo der Wald sich plötzlich zu einer Lichtung hin öffnete. Kaum war sie aus dem Schatten der Bäume geritten, da zügelte sie Molli und starrte entsetzt zum See. Prinz Richard war bereits da und sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Er saß auf einem Stein, neben sich einen Lederbeutel, auf dem Rasierzeug ausgebreitet war. Eine Hälfte seines Gesichts war bereits glatt rasiert, die andere mit Seifenschaum bedeckt.
    Wieso war er schon hier? Verena konnte im Damensattel unmöglich so schnell geritten sein. Und wo war sie überhaupt?
    Verstört sah Riana sich um, während Richard sich erhob und auf sie zukam, die Rasierklinge in der Hand. „Was zum Teufel tust du hier?“
    „Ich … mein Pferd braucht Bewegung.“
    „Dir muss doch klar sein, dass du das Schloss nicht ohne meine Erlaubnis verlassen darfst.“
    Riana wollte schon sagen, dass sie tun und lassen durfte, was auch immer ihr in den Sinn kam, als ihr wieder bewusst wurde, dass sie hier nicht die Freiheiten einer Prinzessin genoss, sondern sich an die Regeln für Dienstboten zu halten hatte. Seufzend stieg sie ab und tätschelte Mollis Hals. „Es tut mir leid, Herr.“
    „Ich werde dich dafür bestrafen“, sagte er. Auch wenn er mit dem Rasierschaum auf einer Wange nicht besonders bedrohlich aussah, jagte sofort ein Schauder Rianas Rücken hinunter.
    Sie neigte den Kopf. „Ja, Herr.“
    „Aber erst später.“ Richard kehrte zu dem Stein zurück und beendete die Rasur, wobei er die Wasseroberfläche als Spiegel benutzte.
    Riana wartete, bis Richard fertig war, dann führte sie Molli an den See, um sie trinken zu lassen. Anschließend band sie sie an einen Baum, unter dem sie grasen konnte.
    An einer schattigen Stelle war eine Decke ausgebreitet.
    „Immerhin habe ich nun doch noch Gesellschaft beim Essen“, sagte Richard und bedeutete Riana, sich auf die Decke zu setzen. „Verena kam nicht sehr weit. Ihr waren die Mücken lästig. Sie ist schon nach wenigen Minuten wieder umgekehrt.“ Er holte allerlei Leckereien aus einer Satteltasche, Früchte, Brot, geräucherten Schinken und Wein.
    „Zuerst brauche ich eine Abkühlung“, sagte er und begann, sich zu entkleiden. „Kannst du schwimmen?“
    Riana, der vom Ritt ebenfalls heiß war, entledigte sich in Windeseile ihrer Kleidung. Richard kämpfte noch mit den Reitstiefeln, das war sie schon splitternackt und lief juchzend auf den See zu. Sie war während des Ritts keiner Menschenseele begegnet, aber es hätte sie auch nicht gekümmert, wenn ein Bauer oder eine Beerensammlerin sie jetzt gesehen hätte. Sie genoss die Sonne auf der Haut, den leichten Wind und das herrlich frische Gefühl, das sie durchflutete, als sie sich ins kühle Wasser gleiten ließ.
    Ein solches Verhalten geziemte sich wahrlich nicht für eine Dame ihres Standes. Wäre sie eine wirkliche Prinzessin, so säße sie jetzt am Ufer, einen Sonnenschirm in der Hand, und
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