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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Titus Müller
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kann dein Plan noch Größeres möglich machen – sofern du einen Fürstensohn heiratest. Das Volk liebt dich jetzt schon. Wir werden dafür sorgen, daß sie vor dir erzittern.«
    »Heißt das, ich darf wählen?«
    Der Vater lächelte, wechselte in die fränkische Sprache. »Bevor du abreist, solltest du einiges Wissen auffrischen. Wie viele Könige hat das fränkische Großreich?«
    »Drei. Ich darf also wählen?«
    »Drei? Das genügt nicht zur Antwort!« Hart fügten sich die fremden Laute aneinander. »Du mußt wissen, wie sie zueinander stehen! Du mußt wissen, wie sie denken! Auf der Reise in den Westen wirst du die Männer führen. Und irgendwann stehst du an der Seite Cozilos.« Er lachte heiser. »Oder meinetwegen an der Seite eines stumpfsinnigen Fürstensohns, und du wirst ihn lenken müssen, damit Rethra nicht untergeht. Du wirst die unsichtbare Herrin über die Tempelburg sein, die Herrin, deren Arme ein geheimnisvolles, großes Reich regieren. Also, die Könige?«
    »Im Osten regiert Ludwig, im Westen Karl, und im Süden, im Süden …«
    »Was nützen die Namen? Ist Karl ein Halbbruder Ludwigs? Das ist wichtig! Herrscht im Süden sein Neffe? Ernährt das Westreich seine Einwohner vielleicht üppiger, und doch hält keiner der drei Könige sein Gebiet in so starker Faust wie Ludwig seinen östlichen Teil? Unser Ludwig, unser Feind! Er ist ein Greis von eisigem, grauem Blick und schmalen Lippen. Er hat die Kaiserkrone, nicht aber Hoheit über die anderen fränkischen Gebiete. Du mußt ihn kennen, seine Entscheidungen vorausahnen! Mit Härte herrscht er über Alemannen, Bayern, Thüringer, Sachsen und Ostfranken. Er läßt das Land durch seine Söhne verwalten und verhindert wieder und wieder ihre Versuche, die Krone zu ergreifen. Da ist eine Schwachstelle, denke immer daran.«
    Ein Schwindel ergriff sie ob der schnell gesprochenen, fremden Sprache. Mit Mühe folgte sie dem, was der Vater sagte, stolperte über Wörter, die sie nicht kannte, hing an den immer schneller schnappenden Lippen in Vaters Bart. Und ihr Herz sprang vor Freude. Sie würde frei wählen! Sie hatte gewonnen. Es war, als wäre ein Bann gebrochen, derVater, seit sie denken konnte, zum Unbesiegbaren gemacht hatte.
    »Hörst du mir zu, Alena? Des Kaisers Macht stützt sich auf einen Mann mit dem Namen Luitbert. Man nennt ihn überall den ›Erzkanzler‹. Seine Macht ist unvergleichlich: Erzkapellan des Kaisers ist er und zugleich dessen Kanzler. Er übt die Würde des Erzbischofs von Mainz aus und ist zudem Bischof von Worms, Bischof von Speyer, von Konstanz, Chur, Augsburg, Eichstätt, Würzburg, Halberstadt, Paderborn, Hildesheim …«
    Sie gab das Zuhören auf. Wen würde sie wählen? Stand ihr nun nicht das gesamte Land offen? All die Tausende, die die Vorburg füllten – konnte sie nicht einen jeden zum Mann nehmen? Ihre Wangen kribbelten.
    »Eben dieser Luitbert wütet in den Dörfern der Sorben. Er ist eine Gefahr. Halte dich nördlich, wenn ihr auf die Elbe zukommt, nähere dich niemals seinem Heer! Alena?«
    »Ja, Vater.«
    »Wenn du zu weit in den Norden gerätst, betrittst du das Gebiet der Sachsen. Dort regiert der Sohn Ludwigs. Die Verschwörung gegen den Vater ist vergeben und vergessen, er wird nun vom Vater gebraucht, um mit Hilfe der Sachsen gegen uns vorzugehen. Du mußt auch schon auf unserer Elbseite damit rechnen, einer Räuberhorde der Sachsen zu begegnen, hörst du?«
    »Gut, ich merke es mir.«
    »Ich schicke nicht mehr als ein Dutzend Krieger mit dir. Kein großer Angriff, hörst du? Ein Wespenstich, den sie schnell wieder vergessen.«
    Sie nickte.
    »Und rechne nicht damit, bei den Stämmen auf freundliche Gesinnung zu treffen, nur weil du ihnen hier in Rethra begegnet bist. Auch unsere Feinde schicken Abgesandte. Sie vertrauen dem Orakel; das hindert sie nicht daran, die Macht der Redarier anzufechten.«
    »Vater, darf ich dich um einen Gefallen bitten?«
    »Was ist es, kluges Töchterchen?«
    »Gib mir nicht Cozilo als Begleiter mit. Ich wünsche mir Mstislav, Nakon und die anderen, die dazugehören.«
    »Eine gute Wahl. Du sollst sie haben.«
     
    Der Gestank biß immer kräftiger in die Nase, und er schien vom See her zu kommen. Beleidigende Gerüche am Tag des Orakels? Gerüche, die über den heiligen Tempel hinwegzogen? Alena preßte die Zähne aufeinander, trat auf das Seetor zu. Das Volk erzittern lassen, hatte Vater gerade gesagt, ja, dafür wollte sie schon sorgen. Sie straffte die Brust, hob das
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