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Die Praktikantin

Die Praktikantin

Titel: Die Praktikantin
Autoren: Aufbau
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Geburtstag geschenkt. »Für meinen Schatz, als kleine Motivation, sich nicht mit der Rolle als ewig Zweiter zufriedenzugeben«, hatte sie als Widmung auf die dritte Seite geschrieben. |16| Als ich ins Restaurant kam, war sie schon da. Aber Marie wartete nicht an einem Zweier-, sondern an einem Achtertisch. Nur ein Platz, der in der Mitte, war frei. Davor stand ein Namensschild: »Johann Walder, Metro-News, Chefredakteur«. Daneben erhoben sich – jeder ein Glas Champagner in der Hand – Maries Mutter, Maries Schwester aus Berlin, Maries Schwester aus Genf, ihre beste Freundin, ihre zweitbeste Freundin und ihre Doppelpartnerin aus der Tennismannschaft.
    »Überraschung«, sagte Marie und strahlte mich an, als sei ich gerade zum Präsidenten der amerikanischen Notenbank ernannt worden und könnte mit einem Stirnrunzeln die Börsen der Welt zusammenbrechen lassen.
    »Die habe ich auch«, sagte ich.

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    |17| ZWEI
    Ich hatte Marie vor etwas mehr als vier Jahren auf Sylt kennengelernt. Professor Michelsen flog zwei- bis dreimal im Jahr mit einem festen Stamm von Führungskräften und wenigen ausgelosten Mitarbeitern auf die Insel, weil »der Nordseewind uns die Köpfe freimacht«. Ich war damals gerade neu zu den
Metro-News
gekommen, als stellvertretender Leiter der Politikredaktion, und erhielt die Einladung für die Reise mit meinem Hausausweis: »Professor Michelsen bittet Sie zu einem Workshop mit führenden und auserwählten Mitarbeitern am kommenden Wochenende auf die Insel Sylt.« Später erfuhr ich, dass die Zahl der Auserwählten sich allein danach richtete, wie viele Topmanager verhindert waren. Der Professor wollte die reservierten Flüge und Hotelzimmer nicht umsonst bezahlt haben.
    Wir wohnten im
Söl’ring Hof
und trafen uns zu Meetings über Themen wie »Leadership«, »Senden und Empfangen« und »Ak tienoptionen contra Tantieme«. Am Nachmittag des ersten Tages mussten wir unter Aufsicht eines Motivationstrainers, den Jürgen Klinsmann dem Professor am Rande eines Champions-League-Spiels in der Allianz-Arena empfohlen hatte, einen Spaziergang des Schweigens machen. Wie der Name schon sagt, war allen außer dem Professor das Reden verboten. Zurück kamen wir auf Tandemrädern. »Damit Sie am eigenen Leib spüren, dass Sie allein nichts sind«, hatte der Professor gesagt und war mit seinem Bruder in einem Höllentempo vorausgefahren. Alle fünf Kilometer gab es eine Verpflegungsstelle mit frisch gepresstem Orangensaft. Wir fuhren so viele Umwege, dass wir erst nach zwanzig Kilometern wieder im Hotel ankamen. Jetzt fehlte uns zum Sprechen die Luft.
    Danach hatten wir genau dreißig Minuten Zeit, die dunklen |18| Anzüge und die Krawatten in der Farbe des Verlagslogos, Lila, anzuziehen, bevor wir von vier konzerneigenen Fahrern zur Sansibar gebracht wurden. Hier sah ich Marie zum ersten Mal. Sie stand wie etwa achtzig andere Gäste, von denen ich mindestens die Hälfte schon einmal in den
Metro-News
oder einem Klatschblatt gesehen hatte, am Strand vor dem Promirestaurant. Die Gesellschaft, zu der uns Michelsen angemeldet hatte, wartete darauf, in drei kleinen Motorbooten über die viel zu wellige Nordsee zur
MS Europa
gebracht zu werden. »Zum Kreuzfahrerdinner«, wie der Professor sagte. »Ein Erlebnis, das Sie nie vergessen werden.«
    Das wurde es, weil sich auf der Hinfahrt allein in meinem Boot drei Reisende, darunter einer der bekanntesten TV-Moderatoren Deutschlands, übergeben mussten. Ich sah es kommen und konnte im letzten Moment die junge Frau im hellblauen Abendkleid zur Seite schieben, bevor sich der Quizshowkönig direkt neben ihr erbrach.
    »Alles in Ordnung?«, fragte ich.
    »Alles in Ordnung«, sagte sie. Vom ersten Moment an hatten Marie und ich die eigenartige Anwandlung gehabt, auf eine Frage mit der Frage zu antworten.
    Sie war mit ihrem Vater, dem Vorstand eines großen Versicherungskonzerns, zum Kreuzfahrerdinner gekommen. Wir saßen beim Essen Rücken an Rücken und tanzten nach dem Dessert gemeinsam, als Überraschungsgast Udo Jürgens am Klavier ein Potpourri darbot, das mit »Griechischer Wein« anfing. Wir tranken uns vor der Rückfahrt auf der noch stürmischeren Nordsee Mut an. Diesmal kotzte ich. Was Marie nicht davon abhielt, sich wenig später in den Dünen neben mich zu legen.

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    |19| DREI
    »Die Stadt Wützen liegt am unteren Niederrhein im Nordwesten des Ruhrgebiets und gehört zum Kreis Mesel im Regierungsbezirk Düsseldorf. Sie ist knapp fünfzig
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