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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries
Autoren: Maryrose Wood
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schicken?«
    Einer nach dem anderen erzählen sie mir von ihren Schmerzen, ihren Leiden, ihren Sorgen. Ich nicke mitfühlend und verspreche zu kommen, wann immer sie mich brauchen. Dann trete ich aus der kühlen, feuchten Luft der Kirche in die gnadenlose Nachmittagssonne.
    Der Prediger spricht mit jedem Einzelnen, der die Kirche verlässt. Er blickt in unsere Augen und nimmt unsere Hände. Er weist uns an, stark im Glauben zu sein, auf dass wir gerettet werden. »Das Höllenfeuer brennt vieltausendmal stärker als diese Sommersonne«, warnt er uns und deutet mit dem Finger hinauf in den Himmel. »Vieltausendmal! Verliert nicht euren Glauben!«
    Draußen vor der Kirche scharen sich die Menschen zu kleinen Gruppen zusammen und flüstern verängstigt: »Das Ende der Welt ist nah!«
    Sie wissen gar nicht, wie recht sie haben.
    Da – schon wieder! Die Worte tauchen in meinem Geist auf, als ob jemand sie laut ausgesprochen hätte. Aber hier ist niemand. Es ist, als ob meine Gedanken nicht mehr ganz und gar mir gehörten. Und diese Stimme …
    Das Blut gefriert mir in den Adern, ich kenne diese Stimme. Es ist die Stimme aus meinen Albträumen. Die Stimme des bösen Prinzen.
    Oleander. Der Giftprinz.
    ***
    Zitternd kehre ich von der Kirche heim, lege meinen leichten Sommerschal ab und nehme ein einfaches Mahl aus Brot und Käse zu mir – allein. Das Haus ist still. Vater ist vermutlich draußen auf den Feldern oder hat sich in die Einsamkeit seines verschlossenen Gartens zurückgezogen.
    Früher einmal hielt ich dies für einen Apothekergarten, in dem Heilkräuter wachsen, heute weiß ich es besser. Diese Pflanzen sind böse, und der Garten ist eine Monstrosität – eine lebende Waffe. Ich weiß es, denn Weed hat es mir gesagt.
    Ich hoffe, dein Vater ist nicht so närrisch zu glauben, er sei der Herr über diese Pflanzen.
    Die Worte überschwemmen meinen Kopf, langsam und unausweichlich, wie Öl, das sich auf dem Wasser ausbreitet.
    Wenn doch, wird er eines Tages den Preis für seine Dummheit bezahlen. Denn der Garten hat bereits einen Meister. Und zwar einen, der den Thron mit niemandem teilen wird.
    Es klopft an der Tür.
    Ich zucke zusammen. Steht der schwarze Prinz aus meinen Albträumen nun vor der Haustür? Oder verliere ich den Verstand?
    Ein verführerischer Gedanke, meine Liebe. Aber ich habe keine Verwendung für Türen. Kein Schloss der Welt könnte mich aussperren. Oder einsperren. Ich komme und gehe nach Belieben. Ich kenne den Schlüssel zu jedem vergifteten Herzen.
    Es klopft wieder, diesmal lauter und fordernder. Ich denke an die Frau in der Kirche, die kurz vor der Niederkunft steht. Vielleicht haben die Wehen eingesetzt. In dem Bemühen, diesen merkwürdigen Anfall geistiger Verwirrung abzuschütteln, greife ich nach meinem Schal und meiner Arzneitasche und eile zur Tür.
    »Ich bin bereit«, will ich sagen, verstumme aber, weil nicht die erwartete Magd vor der Tür steht. Es sind zwei Männer aus der Gegend, Bauern. Ich habe sie schon auf dem Markt gesehen. Ihre massigen Körper füllen den Türrahmen aus und lassen kaum Sonnenlicht durch.
    »Miss Luxton?«
    »Ja?«
    Der größere der beiden Männer wirft einen Blick auf die Tasche in meinen Händen. »Dürfen wir einen Moment eintreten und mit Ihnen sprechen? Es wird nicht lange dauern.«
    Ich bitte sie herein und führe sie in den Salon, bleibe aber stehen. »Ich würde den Herren ja einen Platz anbieten, aber wie Sie sehen, war ich gerade im Begriff zu gehen«, sage ich und hebe meine Tasche leicht hoch. »Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie nicht krank sind? Das ist der übliche Grund, an meine Tür zu klopfen.«
    Die Männer schütteln die Köpfe und blicken sich unbehaglich in dem Raum mit der gewölbten Decke und den hohen Bogenfenstern um. Vor langer Zeit war dieses Haus einmal eine Kirche. Jetzt ist es mein Heim.
Ist das der Grund, warum ich diese unheimliche Stimme höre?
, frage ich mich unwillkürlich.
Oder ist es das Echo von Tausenden unbeantworteten Gebeten, die noch immer nachhallen? Ist diese Kirche verwunschen?
    Meine Besucher fühlen sich sichtlich unwohl und drehen die Hüte in den Händen hin und her.
    Wieder ergreift der große Mann das Wort. »Bitte entschuldigen Sie, wenn wir Sie aufhalten, Miss Luxton. Wir sind von der Vereinigung zur Bekämpfung von Gesetzesbrechern und unerwünschten Elementen. Ich und Horace befragen die Leute in der Gegend bezüglich einer … nun, einer vermissten Person, möchte ich
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