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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries
Autoren: Maryrose Wood
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bis auf das Hämmern meines Herzens. Soll Vater mir doch nachlaufen, wenn er es wagt. Ich bin jetzt eins mit dem Sturm, wild und voller Zorn.
    »Weed!« Ich schleudere dem sternenlosen Himmel meinen verzweifelten Schrei entgegen. Ich laufe und laufe, über einen verschlungenen Pfad. Der Boden unter meinen Füßen verwandelt sich in Morast. Bin ich wahrhaftig verrückt? Es muss wohl so sein, wenn ich mir einbilde, dass der Giftgarten der einzig sichere Ort für mich ist.
    Aber wo sonst sollte ich herausfinden, was die Wahrheit ist – und was Lüge? Und wenn das Schlimmste schon vorbei ist, was habe ich dann noch zu fürchten?
    Und wenn das Schlimmste noch nicht vorbei ist? Der Gedanke lässt mich erstarren. Ich versuche, zu Atem zu kommen. Mit geschlossenen Augen glaube ich, die Erde unter meinen Füßen würde sich im Kreis drehen, aus der Achse geraten wie ein gebrochenes Rad.
    Jessamine, du Dummchen … glaubst du wirklich, dass alles nur ein Traum war?
    Ein Donnerschlag, so laut wie ein Kanonenschuss. Ich presse die Hand auf meine Brust. Mein Herz flattert wie ein gefangener Vogel in seinem Käfig. Mein Haar klebt klatschnass an meinem Kopf, wie Seetang an den Tauen eines Segelschiffs. Mein Kleid ist vollgesogen, als ob ich gerade aus dem Meer gestiegen und an Land gewatet wäre.
    »Hilf mir!«, schreie ich mit rauer Kehle. »Wenn du hier bist, dann zeige dich, ich flehe dich an. Denn ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll!«
    Dann schau her.
    Ein Blitz zuckt über den Himmel und zerreißt die Dunkelheit, erleuchtet kurz den Pfad, ehe die Welt wieder in Schwärze versinkt. Der Wind heult und brüllt, weht nicht von Ost nach West, sondern in Kreisen und Wirbeln, will Bäume entwurzeln und den Himmel zerfetzen.
    Vor mir ragt das schwarze Tor des Giftgartens auf. Ich stürze auf das massive Eisengatter zu. Das Vorhängeschloss verhöhnt mich. Wie ein metallener Apfel an einem leblosen Baum hängt es da. Erschöpft breche ich am Boden zusammen.
    Ich versichere dir, ich bin kein Traum, mein Liebchen. Ich verfüge über eine Macht, die du dir nicht einmal vorstellen kannst. Ich kann dir helfen zu finden, was du suchst. Du musst mich nur darum bitten.
    Hilf mir
, fleht mein Herz, aber ich wage nicht, den Namen dessen auszusprechen, den ich um Hilfe bitte. Die Schrecken meiner Albträume kehren zurück, um ein Vielfaches schlimmer als zuvor. Die Qualen der Krankheit. Die Irrenhäuser. Die Boshaftigkeit meines Vaters. Seine mörderischen Lügen.
    Nichts in dieser Welt ist so, wie ich dachte, dass es sei. Ich bin verloren und weiß nur eine einzige Zuflucht.
    »Oleander!«, schreie ich, aber der Wind verschluckt alle Geräusche. Ich rappele mich aus dem Schlamm auf und packe die Gitterstäbe des Tors mit beiden Händen. Das nasse Metall liegt eiskalt und rau an meiner Wange. »Bitte! Ich brauche dich. Du musst mir die Wahrheit zeigen … wie schon einmal …«
    Der Klang des Sturms verändert sich. Zu allen Seiten rinnt der Regen hinab. Ein Blitz knistert; der Wind heult. Ich aber scheine abgeschirmt zu sein.
    Ich lege den Kopf in den Nacken und blicke suchend zum Himmel. Über mir nimmt die Nacht Gestalt an. Dunkelheit häuft sich auf Dunkelheit, wie Tintenflecken auf schwarzem Samt.
    Die Tintenflecken zerfließen zu der Form von ausgebreiteten Flügeln.
    Ich habe auf dich gewartet
, gurrt der Giftprinz.
Und jetzt bist du da.
    »Bitte sag es mir«, keuche ich. Die Schattenschwingen schlagen einmal, zweimal. »Ist Weed tot oder lebt er?«
    Dein geliebtes Unkraut ist augenblicklich in keinem erbaulichen Zustand. Er ist schlecht gelaunt und müsste dringend mal ein Bad nehmen. Aber ja, er lebt.
    Die Erleichterung, die ich empfinde, vermischt sich mit der übelkeiterregenden Gewissheit, dass mein Vater nichts weiter ist als ein mörderischer Halunke.
    »Ich muss ihn finden. Weiß mein Vater, wo er ist?«
    Wenn dein Vater wüsste, wo sich Weed aufhält, hätte er ihn schon längst getötet. Er kann Weeds Talent nicht für seine Zwecke missbrauchen, und er kann einen Rivalen nicht am Leben lassen.
    »Oleander, kannst du mir helfen, Weed zu finden?«
    Ich kann, wenn ich will. Aber erst musst du dich würdig erweisen.
    »Was muss ich tun?«
    Ich will, dass du den Tod deiner Mutter rächst. Überantworte ihren Mörder seiner gerechten Strafe. Dann hast du dir meine Hilfe verdient.
    Mein Herz verkrampft sich. »Meine Mutter wurde ermordet? Von wem?«
    Was glaubst du denn, mein Herz?
    Sein Gelächter fällt wie Eisregen auf
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