Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition)
Autoren: Catherine Tarley
Vom Netzwerk:
nicht, was mit ihm los ist?«
    Quinn versetzte Roscoe einen harten Stoß vor die Brust, bevor er von ihm abließ. Roscoe hatte nicht versucht, sich zu wehren. Er machte tatsächlich einen erbarmungswürdigen Eindruck. Dennoch war William auf der Hut; um Schwierigkeiten zu vermeiden, schickte er ihn die Pferde holen, die noch im Schatten der Allee standen, wo Quinn sie zurückgelassen hatte.
    »Wie läppisch er sich jetzt hinter Ihrem Mitleid verkriecht!«, höhnte Quinn hinter ihm her. »Gestern noch prahlte er, dass er Sie töten würde, wenn Sie es wagen sollten herzukommen.« Er spuckte verächtlich auf den Boden. »Hah, wer traut schon einem Kreolen!«
    »Roscoe sagte, Reed habe ihn umbringen wollen«, meinte William stirnrunzelnd. »Was halten Sie davon? Ist an dieser Geschichte von dem geistesgestörten Mörder also doch etwas dran?«
    »Wer hat Ihnen davon erzählt?«
    »Ein Arzt, der auf meine Hilfe bei der Aufklärung einiger obskurer Todesfälle hoffte.«
    »Ingham! Dann wussten Sie Bescheid?«
    »Ich war mir nicht sicher. Ich wollte mich selber überzeugen,ob Reed wahnsinnig war. Was Roscoe sagte, hört sich danach an, dass der Arzt mit seiner Vermutung richtig lag.«
    »Das gab Roscoe trotzdem nicht das Recht, Reed zu töten! Es wäre bestimmt noch eine Zeit lang gut gegangen. Ich hätte schon aufgepasst, dass nichts passiert …«
    »Und wie? Wollten Sie ihn in einen Käfig sperren? Wie lange hätten Sie das durchgehalten, Quinn? Roscoe hat Ihnen allen Schlimmes erspart, betrachten Sie es einmal so.«
    Quinn schüttelte düster den Kopf. »Und was soll jetzt geschehen? Ich muss melden, dass Mr. Reed … verstorben ist.«
    »Warten Sie, bis der Arzt da war. Ich werde Ingham verständigen, damit er herkommt und den Totenschein ausstellt. Danach können Sie den Constable informieren.«
    »Sir, was soll ich ihm erzählen? Sie haben Mr. Reed gesehen, er hat Verletzungen in seinem Gesicht. Es ist offensichtlich, dass es einen Kampf gegeben hat.«
    »Schildern Sie, was passiert ist: Dass Reed sich wegen einer Auseinandersetzung mit seinem Freund Roscoe geschlagen hat. Sagen Sie, dass Roscoe abgereist sei, und dass Sie Reed später erschossen in seinem Zimmer aufgefunden haben. Zumindest entspricht jedes für sich der Wahrheit.«
    »Am Ende wird es heißen, Mr. Reed habe sich erschossen, weil sein feiger Freund ihn verlassen hat. Erwarten Sie allen Ernstes, dass ich Roscoe decke?«
    »Ich erwarte nur, dass Sie vernünftig sind. Oder glauben Sie, Ihr Captain würde wollen, dass man Roscoe für seinen Tod zur Rechenschaft zieht?« Er übersah Quinns abgründigen Blick und meinte abschließend: »Dann wären wir uns einig.«
    Roscoe kam mit den Pferden. Quinn wollte Lone Star beim Zaum fassen, überlegte es sich aber anders und sagte zu Roscoe: »Mr. Reed wollte, dass Sie Lone Star reiten. Also nehmen Sie ihn mit.«
    Ohne ein Wort des Danks schwang sich Roscoe in den Sattel. Lone Star schnaubte nervös und warf den Kopf hoch.Quinn machte sich auf alle möglichen Grobheiten gefasst, doch Roscoe überraschte ihn, indem er das Pferd ruhig versammelte.
    Als William im Sattel saß, winkte er Quinn noch einmal heran. »Schicken Sie Roscoes Sachen in die Stadt, zum Hearton Hotel in der Queen Street.«
    »Sie nehmen ihn mit?«
    »Fürs Erste.«
    Roscoe verbrachte die meiste Zeit des Tages in seinem Hotelzimmer. Er war zu nichts zu gebrauchen und lag schweigend in einem Sessel an der offenen Balkontür.
    Von Zeit zu Zeit sah William nach ihm. Er ließ ihn in Ruhe, an einer Rückkehr zu ihrem vormaligen Herr-und-Diener-Verhältnis war ihm nicht gelegen. Doch stand für ihn fest, dass er am Tag seiner Abreise aus Charles Town Roscoes selbstgewählter Isolation ein Ende setzten würde.
    Er wusste nicht genau, was ihn bewogen hatte, Roscoe nach Reeds Tod mitzunehmen. Es hatte wohl damit zu tun, dass seine Vergeltung fehlgeschlagen war und sein Racheverlangen keine Genugtuung erfahren hatte. In Ermangelung des eigentlichen Ziels konnte er seine Ressentiments wenigstens gegen Roscoe richten. Doch was war damit gewonnen? Indem er Roscoe täglich begegnete, musste er sich auch seinen unbefriedigten Hassgefühlen täglich aufs Neue stellen. Den erhofften Frieden würde er so bestimmt nicht finden!
    Nein, im Grunde gab es nur einen Weg, die Erbitterung und den Hass in seinem Herzen zum Schweigen zu bringen: Er musste sich überwinden und Roscoe vergeben, was er und Reed ihm angetan hatten. Vergebung, keine Vergeltung. Vielleicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher