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Die Plantage: Roman (German Edition)

Die Plantage: Roman (German Edition)

Titel: Die Plantage: Roman (German Edition)
Autoren: Catherine Tarley
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würde dann auch das Gefühl der Demütigung von ihm genommen und er konnte seine Selbstachtung wiedererlangen.
    Es war ein ungewohnter Gedanke, und er nahm seiner Verachtung für Roscoe den Stachel.Im Zuge der Vorbereitungen, Serenity Heights in Besitz zu nehmen, übertrug William die Vermögensverwaltung für sein Anwesen dem Bankhaus Ashley & Bolton. So war es unvermeidlich, dass er und Tyler sich noch einmal begegneten. In der geschäftsmäßigen Atmosphäre des Konferenzraumes, in Anwesenheit des Bankinhabers Gordon Ashley und seines Sekretärs, legte Tyler die Art von Aufmerksamkeit an den Tag, die William als vermögender Anleger erwarten durfte. In knappen Worten erläuterte er, wie die Bank Williams nicht unbeträchtliche Einkünfte langfristig gewinnbringend anlegen wollte.
    »Es freut uns, Mr. Marshall, dass Sie uns diese verantwortungsvolle Aufgabe übertragen«, schloss er förmlich. »Sie beweisen unserem Unternehmen dadurch großes Vertrauen.«
    »Wie Sie wissen, haben wir auch Mr. Longuinius über viele Jahre beraten«, ergänzte Ashley mit mehr Verbindlichkeit. »Daher darf ich Ihnen offen gestehen, dass mich Ihre Erbeinsetzung überrascht hat. Als ich mit Longuinius über die Testamentsgestaltung sprach, hat er Ihren Namen nie erwähnt. Ich meine, es ist doch ungewöhnlich, dass er kurz vor seinem Tode eine Verfügung trifft, durch die er einen Mann, der quasi aus dem Nichts auftaucht, zu seinem Nachfolger macht?«
    »Es stimmt, kaum jemand wusste von der Freundschaft, die uns verband«, entgegnete William, der mit dieser Frage gerechnet hatte. »Es waren gefahrvolle Zeiten, als wir uns begegneten, Zeiten der Not; mag sein, er hat deshalb nicht darüber gesprochen. Wir lernten uns kennen, als der Kampf um die Unabhängigkeit in der Tat auf Messers Schneide stand. General Washington wartete in Valley Forge auf Truppenunterstützung, während die Engländer es sich in Philadelphia gut gehen ließen. Longuinius und ich wohnten in der besetzten Hauptstadt unter demselben Dach, zusammen mit einquartierten britischen Offizieren. Ich lieferte ihm militärische Informationen über die Besatzungstruppen, die er durch Mittelsmänner an Washingtons Geheimdienst weiterleitete. Als es für ihn in Philadelphiazu gefährlich wurde, half ich ihm, aus der Stadt zu fliehen. Später behauptete er, ich hätte ihm damals das Leben gerettet.«
    Es war die Wahrheit, ließ man außer Acht, dass sie in Wirklichkeit Feinde waren und er, William, völlig ahnungslos dazu beitrug, dass den Engländern einer ihrer meistgesuchten politischen Gegner durch die Lappen ging. Colonel Harcourt hatte, um William zu schützen, dafür gesorgt, dass der Vorfall nicht bekannt wurde. William war überzeugt, Longuinius hätte an dieser Darstellung der Episode seine Freude gehabt.
    Ashley betrachtete ihn wohlwollend. »Gemeinsam durchstandene Gefahren sind eine starke Verbindung, Mr. Marshall. Das erklärt natürlich vieles.« Er hatte William als Verwalter Legacys geschätzt. Nachdem Longuinius den neuen Mann durch seine großzügige Zuwendung ausgezeichnet hatte, fühlte der Bankier sich in seiner Einschätzung bestätigt. »Wissen Sie, ich kannte Julien Longuinius viele Jahre. Er war nicht nur in South Carolina ein angesehener Mann, sondern gilt auch als einer der führenden Staatstheoretiker Amerikas. Serenity Heights war seine Eremitage, wenigen wurde das Privileg zuteil, ihn dort besuchen zu dürfen. Aus seinem Testament geht hervor, dass er Sie als Einzigen vor seinem Tode zu sich rief. Vielleicht dachte er nicht allein an seinen Grundbesitz, als er Sie zu seinem Erben ernannte?«
    William lächelte. »Nehmen wir es als das, was es ist. Ich werde es als größtes Privileg betrachten, an diesem einzigartigen Ort leben zu können. Der Genius Loci von Serenity Heights kann einem Kriegsveteranen wie mir nur guttun.« Er stand auf, auch die anderen erhoben sich, um ihn zu verabschieden.
    Tyler begleitete ihn hinaus. Der Wind hatte aufgefrischt und brachte kühlere Luft von der See. Während sie unter dem Portal auf die Droschke warteten, wollte Tyler seinen Unmut nicht länger verbergen.
    »Wie war das gleich: Sie haben dem großen Longuinius das Leben gerettet? Wirklich fabelhaft!«
    »Was gefällt Ihnen daran nicht, Tyler?«
    »Ging es nicht auch dezenter?«
    »Das Leben ist nicht dezent.«
    »Da haben Sie recht, Marshall. Zumindest bei Ihnen muss man auf alles gefasst sein.«
    Es gab nichts mehr zu sagen, trotzdem wollte keiner als Erster
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