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Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
Autoren: Rolf D. Sabel
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in unserem Geschlecht, und einige Namen ließe ich gerne aus den Annalen streichen, wenn ich denn könnte. Zum Beispiel den Namen meines Großonkels Pontius Aquila, der zum Kreis jener Mörder um Brutus herum gehörte, die den sinnlosen Tod des großen Cäsar zu verantworten haben.
    Aber so wenig man sich die Familie aussuchen kann, in die man geboren wird, so wenig Verantwortung trägt man für Schuld und Ehre seiner Vorfahren. Für das eine schämt man sich gleichwohl, des anderen erinnert man sich mit Stolz.
    Ein einfaches, aber ehrenhaftes Rittergeschlecht war es also, in das ein gütiges Schicksal mich entsandte. Ich verbrachte meine Kindheit geschützt im elterlichen Haus auf dem Quirinalis, und ich verbrachte sie, wie es in meinen Kreisen üblich war. Ich ging zur Schule, wurde oft auch im elterlichen Haus unterrichtet, lernte Grammatik, Griechisch, Philosophie, Rhetorik, Metrik und einiges mehr. Die großen Reden Ciceros waren mir so geläufig wie die Stoa des Xenon, Ovids Metamorphosen lernte ich so gut wie Vergils Aeneis, das liebreizende Liebeslieddes Catull war mir so vertraut wie die schwere Elegie eines Propertius, und auch die gallig-bösen Satiren des Horatius liebte mein suchender Geist. Manches war dabei, was mir sinnvoll erschien, manches auch, gegen das sich mein freier Geist sträubte. Allein, weder die Eltern noch die Lehrer nahmen auf solche Befindlichkeiten eines Knaben Rücksicht. Die artes liberales, die Künste, die eines freien Mannes würdig waren, sie quälten mich oder ich liebte sie, zu lernen hatte ich sie auf jeden Fall.
    Meine ausreichend bemessene Freizeit verbrachte ich mit Freunden, ringend, reitend, lesend oder auch nur einfach träumend. Träumend von einer goldenen Zukunft, denn im Rom der damaligen Tage schien einem jungen, ehrgeizigen Mann alles offen zu stehen. Von den Freunden meiner Jugend aber stand niemand meinem Herzen so nah wie Cornelius, der mir gleichaltrig in Sichtweite wohnte und mehr Bruder als Freund war. Die Freundschaft zu ihm sollte sich trotz aller widrigen Umstände als zuverlässig erweisen – bis zum bitteren Ende.
    Aber ich will nicht vorweggreifen.
    Meinen Vater sah ich selten, denn er versah seinen militärischen Dienst mit großem Eifer und war oft in den entferntesten Provinzen des Reiches stationiert, auch wenn die Friedensliebe des großen Augustus ihm stets eine sichere Rückkehr gewährte. Die Liebe aber, die er dem Dienst gewährte, fehlte dem Sohn.
    Statt seiner war es meine Mutter, die das Füllhorn elterlicher Liebe über mir ausgoss, und das in reichem Maße. Voller Zärtlichkeit erinnere ich mich ihrer warmen Umarmungen und ihrer zarten, mütterlichen Küsse, doch als ich gerade meinen 15. Geburtstag feierte und die toga virilis für mich schon geschneidert war, starb sie, plötzlich und ohne Vorahnung.
    Da, da begann ich zum ersten Mal, die Götter zu hassen, die mir das Liebste genommen hatten, was mein unschuldiges Kinderherz besaß. Nie wollte ich ihnen diese Tat verzeihen.
    Ich vernachlässigte die Opfer, und in den zahlreichen Tempeln der Stadt sah man mich nur noch, wenn der Vater es mir auf seinen seltenen Besuchen gebot. Ich vermochte den steinernen Statuen keinen Glauben zu schenken, die in den prächtigen Tempeln auf die Opfer der Gläubigen warteten.
    Wenn ich in ihre kalten Augen sah, wenn ich von den Geschichten hörte, in denen sie mordeten und den Menschen Böses antaten, reifte in mir die ungewisse Ahnung, dass es entweder andere Götter geben müsse – oder gar keine!

II.
     
    Die alten Griechen hätten von der blindwütigen Tyche gesprochen, die Römer vom unabänderlichen Fatum, Tyrannen bemühen gerne den Begriff der Vorsehung, und gläubige Christen könnten von einem Wink Gottes sprechen. Vielleicht war es aber ganz einfach auch nur ein Zufall, dass in jenen kalten Dezembertagen ein Abwasserrohr unter der Krypta der altehrwürdigen Kölner Kirche St. Pantaleon brach und sich sein unseliger Inhalt auf den Boden der Krypta ergoss.
    Jedenfalls weckte ein aufgeregter Küster den Pfarrer noch weit vor der Frühmesse und berichtete in sprudelnden Worten von dem schlimmen Unglück, das sich anschicke, mit übel riechender Flut die ganze Krypta zu bedecken.
    In aller Eile zog sich Pfarrer Diefenstein an und folgte dem Küster durch die eiskalte Morgenluft in die Kellerräume seiner Kirche.
    »Furchtbar«, murmelte er mit frostschaudernder Stimme, »ganz furchtbar.«
    Er zog seinen Mantel zu und rümpfte die Nase.
    »Und
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