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Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
Autoren: Rolf D. Sabel
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Gedanke, ich könnte größte Schuld auf mich geladen haben, eine Schuld, die alles übertrifft, was Menschen bislang getan haben könnten, wenn es denn wahr ist. Was ist Wahrheit, habe ich einst den Gekreuzigten gefragt. Ich weiß es bis heute nicht!
    Spätere Welten mögen über mich ein Urteil fällen, doch da vor jedem Urteil der Angeklagte sich rechtfertigen darf – so verlangt es das römische Recht –, vertraue ich diesem Papyrus alle wichtigen Dinge meines Lebens an, bis hin zu jenem schrecklichen Tag, an dem ich jenen Mann hinrichten ließ, der, wenn er auch nicht der Sohn eines Gottes gewesen sein mag, jedenfalls doch unschuldig war.
    Freilich zittern meine Hände zu sehr, als dass ich selbst den Stilus führen könnte, denn neben dem Aufruhr des Geistes ist es die Kälte, die meine Finger lähmt, die Kälte jenes barbarischen Ortes, an den mich der grausame Spruch des Kaisers bannte. Oh, wie kann ich doch das Leid jenes trefflichen Dichters Ovidius nachempfinden, dem es ähnlich erging wie mir, wenn auch aus anderen Gründen. Doch will ich den Dingen nicht vorweggreifen.
    So schreibt nun statt meiner mein treuer Freigelassener Pontillus, dem ich für seine treue Pflichterfüllung danke. Er war damals Zeuge des Geschehens und hat mir bis zum heutigen Tage treue Dienste geleistet, wofür ich ihm mehr Dank schulde, als der Herr es dem Diener gegenüber gemeinhin tut. So sei versichert, guter Pontillus, dass du durch die Unvergänglichkeit des Wortes in gleicher Weise in die Ewigkeit der Erinnerung eingehen wirst wie ich. Ob man sich unser freilich in guter Weise erinnern wird oder ob man unsere Namen verfluchen wird, das wird die Zukunft weisen.
    So höre denn, Nachwelt, wie es zu jenem Spruch kam, der die Welt veränderte, wenn schon nicht die ganze, so doch zumindest meine. Und fasse dich in Geduld, denn damit du alles verstehst, muss ich vorne anfangen, ganz vorne.
    So viel Unsinn ist über meine Herkunft verbreitet worden, so viele fabulae legendae ranken sich darum, dass ich damit aufräumen muss.
    Denn es ist kaum ein halbes Jahr her, da wurde mir in Rom eine Geschichte über mich zugetragen, die Ekel und Erstaunen zugleich in mir weckte. Nach dieser Geschichte war ich der Sohn einer Müllerstochter namens Pila. Ich, der Spross eines alten Rittergeschlechts, Sohn einer Müllerstochter! Diese habe mich unehelich mit einem König namens Tyrus gezeugt, wer auch immer das gewesen sein soll. Nach ihrem Vater Atus habe sie mich Pilatus genannt. Aufgezogen worden sei ich dann am Hof meines königlichen Vaters zusammen mit dessen rechtmäßigem Sohn. Was für ein Unsinn! Aber höre weiter und siehe, wie weit eine unmäßige Fantasie einen geschwätzigen Menschen treiben kann. Da ich nun meinen Stiefbruder um seine Überlegenheit beneidete, brachte ich ihn um. Zur Strafe schickte man mich als Geisel nach Rom. (Welch eine Strafe!)
    Dort – so will die Erzählung wissen – habe ich dann eine andere Geisel getroffen, einen Königssohn aus Gallien. Auch diesen habe ich aus Neid getötet, weshalb man mich ins Exil auf die Insel Pontus schickte. Dort habe ich als grausamer Tyrann die freie Bevölkerung unter die Herrschaft Roms gebracht und mir den Beinamen Pontius erworben.
    Zur Belohnung für diese Leistung erhielt ich dann das Prokurat in der Provinz Judäa.
    Ahnst du, Nachwelt, wie ich gelacht habe, als ich diese Geschichte über mich hörte? Und doch kreist sie um das Forum, und die Menschen dort saugen sie gierig auf.
    Aber nichts davon ist wahr! Bei allen Göttern und auch dem einen, wenn er einer war, schwöre ich, dass dies der reine Unsinn ist und mit der Wahrheit nichts zu tun hat. Die ist nämlich anders, ganz anders.
    Ich wurde an den Kalenden des Aprilis im Jahre 740 nach Stadtgründung geboren und trug den gleichen Namen wie mein Vater, Spross eines alten und edlen Rittergeschlechts. Mag auch der Name unseres Geschlechts hinter dem der Claudier, Julier oder Fabier verblassen, so trugen wir ihn doch stets mit Stolz. Das Geschlecht der Pontier stammt aus dem Land der Samniten, jenem Land, in dem mein Urahn im Jahre 432 nach Stadtgründung als Anführer der samnitischen Truppen das Heer der Römer an den Caudinischen Pässen in die Falle lockte und furchtbaren Blutzoll verlangte. Seitdem vererbt sich der Beiname Pilatus, also Speerträger, auf alle männlichen Nachkommen, denn es war der Ehrenname meines Urahns, den er nach der Schlacht erhielt.
    Große Titel und Ämter finden sich freilich nur selten
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