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Die Phrrks

Die Phrrks

Titel: Die Phrrks
Autoren: Gert Prokop
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Schultern, daß sie weinte. »Diese Dosen«, sagte er, »das ist doch Giftgas, und ihr habt keine Masken…«
    »Haarlack!« antwortete sie. »Simpler Haarspray.
    Ich habe keine Ahnung, warum die Armee hier Spray eingelagert hat, ganze Schuppen voll, Farbspray, Lackspray, Fensterputzspray, Möbelpolitur… Haarspray wirkt am besten, die Tiere kommen völlig durcheinander, wenn man sie ansprüht, vielleicht, weil sie blind davon werden. Pervers, was?
    Ausgerechnet Spray!«
    »Jetzt macht es auch nichts mehr«, sagte er.
    »Wenn wir nur ebensoviel Munition wie Spray
    hätten.«
    Jemand rief nach der Contessa. Jonas stand unversehens allein in der Dunkelheit. Er spürte das Metall der MPi unter den Händen. Wenn er jetzt floh? Niemand würde ihn finden, auch morgen nicht. Er hatte gelernt, sich zu tarnen. Und mit einer Waffe umzu-gehen. Er war diesen Kindern haushoch überlegen.
    Aber er hatte keinen Schluck Wasser, und er glaubte der Contessa, daß die Gegend verlassen war. Im gün-stigsten Fall könnte er auf einen Treck stoßen. Oder auf die Tiger. Wie sollte er sich je nach Baikonur 376
    durchschlagen?
    Und wozu. Die Welt würde auch ohne ihn untergehen.
    Er kletterte nicht über den Hang, er ging der Contessa nach.
    Die anderen umringten sie im Kreis, es mochten über fünfzig sein, einige nicht älter als zwölf, die Contessa lag fast neben einer am Boden liegenden Gestalt, drückte seinen Kopf an die Brust; es war einer der Jünger, er wimmerte, sein Unterleib schien von einem Tiger getroffen, aufgerissen zu sein. Die Contessa streichelte sein Gesicht, summte etwas, das wie ein Wiegenlied klang, eine beruhigende, tröstende Melodie, dann hob sie die Hand, und alle entfern-ten sich, nur Jonas blieb stehen, sah, wie die Contessa den Kopf des Jüngers langsam auf den Boden sinken ließ, wie sie die Mündung ihrer Waffe behutsam an die Schläfe des Jungen führte und ihr Gesicht abwandte. Der Schuß schien unendlich lauter als alle Schüsse zuvor.
    Die Contessa stand auf und verschwand mit
    schleppenden, stolpernden Schritten in der Dunkelheit. Die anderen tauchten wieder auf, schichteten Steine über ihren toten Kameraden.
    Jonas erblickte die Contessa am Ende der Geröllhalde, sie tastete sich mit der rechten Hand an der Bergwand hinunter.
    Er holte nicht auf, auch im Tal blieb er ein paar 377
    Meter hinter ihr. Plötzlich blieb die Contessa stehen.
    »Was willst du?« sagte sie tonlos.
    »Ich dachte, du brauchst jetzt vielleicht jemanden«, sagte er, »wenn du willst, verschwinde ich.«
    »Nein, geh nicht.«
    Er nahm sie in die Arme, und sie drückte sich an ihn. Er streichelte ihr Haar, ihre mageren Schultern.
    Irgendwann hörte er die Schritte der Jungen, die wortlos zum Lager zurückgingen; als die Geräusche in der Feme verklungen waren, schluchzte sie laut auf.
    »Ja, weine nur«, sagte er, »das wird dir helfen.«
    »Mir kann nichts helfen«, sagte sie verzweifelt.
    »Du wolltest mich doch verstehen…. verstehst du mich? Antonia, die Heilige von der Maschinenpistole. Die heilige Killerin. Die einsame Wölfin.«
    Er drückte ihr einen Kuß auf die Wange, sie
    schlang ihre Arme um seinen Hals. Er küßte sie auf den Mund, sie erwiderte den Kuß nicht.
    »Wenn du willst«, flüsterte er, »mußt du nicht einsam bleiben.
    Ich mag dich.«
    »Ich will nicht«, sagte sie heftig. »Ich will nicht noch einmal…
    Und es geht auch nicht. Alle Disziplin bräche zusammen, die ganze so mühsam erreichte, nur mit eiserner Strenge aufrechterhaltene Ordnung.«
    »Du bist und du bleibst die Contessa.«
    378
    »Ich kann nicht tun, was ich will, wir haben unsere ungeschriebenen Gesetze.«
    »Dann laß mich gehen. Oder laß mich sterben. Ich wüßte nicht, wie ich hier leben sollte. Jetzt schon gar nicht mehr. Ich kann keine Heilige in dir sehen. Für mich bist du eine Frau.
    Eine wunderbare Frau.«
    Sie löste sich aus seinen Armen und ging zum Dorf, Jonas folgte ihr. Vor ihrem Haus blieb die Contessa stehen. Als er vorbeigehen wollte, rief sie ihn.
    »Jonas.« Es war das erste Mal, daß sie seinen Namen nannte.
    »Ja, Antonia?«
    Sie winkte mit dem Kopf.
    Sie zogen sich schweigend aus, krochen unter die kratzigen Decken der italienischen Armee, die längst in alle Winde verweht war, schmiegten sich aneinan-der.
    »Ich bin so schrecklich mager«, klagte sie.
    »Ach was«, sagte er, »ich mag dünne Frauen. Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum andere hinter dicken Brüsten herjagen.«
    Sie lachte. »Selbst wenn es
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