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Die Philosophen der Rundwelt

Die Philosophen der Rundwelt

Titel: Die Philosophen der Rundwelt
Autoren: Terry Pratchett
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falschen Erzählung ist. Wenn eine Geschichte ein zusammenhängendes Ganzes zu bilden scheint, können sogar bewusst selbstkritische Wissenschaftler es versäumen, die Frage zu stellen, die alles auseinander fallen lässt.
    Und so geht die Geschichte. Kohlenstoff entsteht in roten Riesensternen bei einem ziemlich heiklen Prozess von Kernverschmelzung, der Tripel-Alpha-Prozess genannt wird. Dabei geht es um die Verschmelzung von drei Heliumkernen.* [* Im einfachsten Bild vom Atom ist der Kern ein verhältnismäßig kleiner Bereich, der aus Protonen und Neutronen besteht. Elektronen »umkreisen« den Kern in einiger Entfernung. Der Tripel-Alpha-Prozess findet in einem Plasma statt, wo die Atome ihre Elektronen verloren haben, sodass nur ihre Kerne beteiligt sind. Später, wenn sich das Plasma abkühlt, können die Kerne wieder die nötigen Elektronen erwerben.] Ein Heliumkern enthält zwei Protonen und zwei Neutronen. Wenn man drei Heliumkerne miteinander verschmilzt, bekommt man sechs Protonen und sechs Neutronen. Und das ist gerade ein Kohlenstoffkern.
    Sehr schön, aber die Wahrscheinlichkeit, dass in einem Stern ein solcher dreifacher Zusammenstoß stattfindet, ist sehr gering. Zusammenstöße von zwei Heliumkernen kommen viel häufiger vor, obwohl auch sie noch relativ selten sind. Extrem selten wird ein dritter Heliumkern auf zwei treffen, die gerade zusammenstoßen. Es ist wie mit Farbkugeln und Zauberern. Immer mal wieder platscht eine Farbkugel gegen einen Zauberer. Aber man würde nicht viel darauf wetten, dass exakt im selben Augenblick ihn eine zweite Farbkugel trifft. Das heißt, die Synthese von Kohlenstoff muss stufenweise statt auf einmal erfolgen, und die nahe liegende Art ist, dass erst zwei Heliumkerne verschmelzen und dann ein dritter hinzukommt.
    Der erste Schritt ist einfach, und der dabei entstehende Kern hat vier Protonen und vier Neutronen: Dies ist eine Form des Elements Beryllium. Die Lebensdauer dieser speziellen Form von Beryllium beträgt aber nur 10 -16 Sekunden, was für den dritten Heliumkern ein sehr kleines Ziel ergibt. Die Wahrscheinlichkeit, dieses Ziel zu treffen, ist unglaublich gering, und wie sich herausstellt, existiert das Weltall noch nicht lange genug, als dass auch nur ein winziger Bruchteil seines Kohlenstoffs auf diese Weise hätte entstehen können. Dreifach-Zusammenstöße kommen also nicht in Frage, und der Kohlenstoff bleibt ein Rätsel.
    Es sei denn … dass die Beweiskette eine Lücke hat. Und das hat sie tatsächlich. Die Fusion von Beryllium mit Helium, die zu Kohlenstoff führt, würde viel schneller erfolgen und in kürzerer Zeit viel mehr Kohlenstoff ergeben, wenn die Energie des Kohlenstoffs zufällig nahe bei der kombinierten Energie von Beryllium und Helium läge. Diese Art von fast gleichen Energien wird eine Resonanz genannt. In den fünfziger Jahren beharrte Fred Hoyle darauf, dass der Kohlenstoff irgendwo herkommen muss, und sagte vorher, dass es aus diesem Grunde einen resonanten Zustand des Kohlenstoffatoms geben müsse. Er musste eine sehr spezifische Energie haben, die Hoyle zu ungefähr 7,6 MeV* [* 1 MeV ist eine Million Elektronenvolt. Ein Elektronenvolt ist natürlich eine Energieeinheit, und für unsere Zwecke spielt es momentan eigentlich keine Rolle, wie groß diese Einheit ist. Der Ordnung halber: Es ist die Energie eines Elektrons, wenn sein Potenzial um ein Volt erhöht wird, und beträgt 1,6 x 10-12 erg. Und die Energie, auf die hier Bezug genommen wird, ist der Energieüberschuss gegenüber dem niedrigsten Energiezustand des Atoms, dem »Grundzustand«.
    Was ist ein erg? Schlagen Sie nach, wenn Sie es wirklich wissen müssen.] berechnete.
    Binnen eines Jahrzehnts wurde entdeckt, dass es einen Zustand mit der Energie von 7,6549 MeV gibt. Leider erweist sich, dass die kombinierte Energie von Beryllium und Helium etwa 4 Prozent darüber liegt. In der Kernphysik ist das eine ganz erhebliche Abweichung.
    Hm.
    Aber ach, diese scheinbare Diskrepanz ist wunderbarer Weise genau das, was wir brauchen. Wieso? Weil die zusätzliche Energie, die von den in einem Roten Riesen herrschenden Temperaturen hinzugefügt wird, genau dem benötigten Unterschied von 4 Prozent entspricht.
    Toll.
    Das ist eine wunderbare Geschichte, und sie hat Hoyle zu Recht eine Menge wissenschaftliche Bienchenpunkte eingebracht. Und sie lässt unsere Existenz ziemlich wackelig erscheinen. Wenn die Fundamentalkonstanten des Universums verändert werden, dann auch diese
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