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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit
Autoren: Richard Dübell
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auf und trank dankbar. Dann küsste sie den Steinmetz auf den Mund, und dieser umarmte sie. Die zweite Nonne tat nach Kräften so, als sehe sie nichts.
    Wenn man es recht bedachte, konnte die Welt nicht noch mehr in Unordnung geraten. Die Söhne des toten Kaisers stritten sich, die Fürsten stritten sich, die Prälaten stritten sich, die Armen hungerten, die Verfolgten wurden gejagt, die Unterdrückten wurden geknechtet. Die Zeit war heillos geworden mit dem fehlenden Gleichgewicht zwischen Kaiser und Papst. Wenn man ehrlich sein wollte, war die Welt es nicht wert, gerettet zu werden. Weshalb war sie, Adelheid, dann davon überzeugt wie von nichts anderem in ihrem Leben, dass dieses Dokument weiter im Verborgenen bleiben musste?
    Weil die Welt eben nicht heillos war, solange es Liebe in ihr gab, und weil Elsbeth und Rogers es verdient hatten, ihre Liebe zu leben. Sie würden es schwer genug haben. In diesem Frühling waren die Wizinstener bereit, alles zu akzeptieren, auch einen ungeschickten Steinmetz, der nicht an die Evangelien glaubte und mit leichtem occitanischem Akzent sprach, und eine Äbtissin, die mit dem Steinmetz in offener Sünde lebte. Doch dieser Frühling würde irgendwann vergehen, und die Welt würde nach Wizinsten zurückkehren und Anstoß nehmen. Ja, sie würden es schwer genug haben. Sie brauchten keine einzige weitere Schwierigkeit dazu.
    Langsam nahm Adelheid den Bimsstein in die Hand. Das Dokument war auf schönem, teurem Pergament geschrieben. Man würde es ohne Rückstände abreiben können. Und es war groß genug, ein Rezept gegen Darmblähungen bei einem Säugling und eine kurze Vision Hedwigs dazu aufzunehmen. Man musste alles einfach in der richtigen Perspektive sehen.
    Sie begann zu reiben, während sie ihren Blick fest nach draußen gerichtet hielt. Elsbeth führte Rogers durch den zukünftigen Garten und erklärte ihm, wo sie welche Pflanzen geplant hatte. Godefroy und Walter hämmerten mit neuerwachter Leidenschaft an ihrem Schlussstein herum; Wilbrand stand neben ihnen und deutete auf die Stellen, an denen mit kleinen Verbesserungen doch ein brauchbares Werk daraus würde. Ella Kalp stapfte von der Stadt her auf die Baustelle zu, Ursi im einen Arm und einen Korb mit Essen für ihren Mann Job im anderen. Lubert Gramlip saß neben dem alten Marquard auf einem Stein in der Sonne und hörte ohne Zweifel zum wiederholten Mal, dass das Leben als Meister sich nicht lohnte, weil man dazu unzähligen Menschen in den Hintern kriechen und sich außerdem eine Frau suchen musste. Wenn ihr Blick weitergegangen wäre, hätte er zweifellos auch Hedwig und ihren Schwarm aus Anhängern eingefangen, der dem ziellosen Wandeln des Objekts der Bewunderung über die Baustelle zu folgen versuchte, und Everwin Boneß, der so glücklich darüber war, nicht mehr Bürgermeister zu sein, dass sogar seine Blähungen aufgehört hatten – mit leichter Nachhilfe durch das Rezept gegen Darmblähungen bei Säuglingen, wodurch man erneut sehen konnte, wie wichtig die rechte Perspektive war.
    Und da es schon um Perspektive ging: Hinter dem Kreuzgang mit den beiden Liebenden darin wuchs die neue Westfassade der Kirche in die Höhe, stieg die Wiese leicht an, erhob sich der ehemalige Galgenberg über den Arbeiten, schimmerte die helle Flanke des Steinbruchs. Der Himmel darüber war makellos blau.
    Er schien in alle Ewigkeit zu reichen.

ANMERKUNGEN
     
    Wer tiefer in die im Roman geschilderten Zusammenhänge und Eigenschaften der historischen Persönlichkeiten eindringen möchte, findet im Folgenden weitergehende Informationen. Die genannten Seitenzahlen geben die (ersten) Bezugsstellen im Roman an.
    S. 21: Friedrich II. von Hohenstaufen (* 26. Dezember 1194 in Ancona; † 13. Dezember 1250 in Castel Fiorentino) regierte von 1220 bis zu seinem Tod. Er war unter den Kaisern des Reichs sicherlich der widersprüchlichste und faszinierendste und überstrahlte für Jahrhunderte den Glanz seines Großvaters Friedrich I. Barbarossa – bis die nie nachlassende kirchliche Propaganda gegen ihn den Großteil seiner Glorie auf jenen übergehen ließ. Selbst die bekannte Legende über den im Kyffhäuser wartenden Barbarossa, dessen Bart durch die Tischplatte gewachsen ist und der auf den Tag wartet, da das deutsche Volk ihn wieder braucht, war ursprünglich Barbarossas Enkel Friedrich II. gewidmet.
    Friedrich, dessen Bewunderer ihn stupor mundi nannten – die nächstliegende Übersetzung würde wohl bedeuten: »der die
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