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Die Pfade des Schicksals

Die Pfade des Schicksals

Titel: Die Pfade des Schicksals
Autoren: Stephen R. Donaldson
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gefühllos. Dennoch drückte er sie an seine Brust. »Ich hätte gar nichts sagen dürfen. In deinen Träumen. Durch Anele. Die Gefahr war zu groß. Aber ich hatte Angst, du würdest die Hoffnung verlieren. Ich konnte dich nicht…« Seine Stimme versagte, und er schluckte trocken. »Ich durfte dich nicht im Stich lassen.
    Du hast nichts falsch gemacht. Es ist meine Schuld. Ich war zu schwach.«
    Ja, er war zu schwach, war zu menschlich gewesen - selbst noch im Bogen der Zeit. Ich konnte es nicht ertragen, dich leiden zu sehen, und dich denken zu lassen, du seist allein, dachte er. Ich würde dich vor den Konsequenzen dessen, was du getan hast, gern bewahren, wenn ich nur wüsste, wie.
    »Irgendwas nicht in Ordnung?«, fauchte Infelizitas. »Du redest wirr, Zeitenherr. Deine Umwandlung ist ein nicht wiedergutzumachendes Übel. Sie hat dich ruiniert. Siehst du nicht, dass Linden die Vernichtung der Erde herbeigeführt hat?«
    Wut und Erdkraft umstrahlten die Elohim wie ein Gewand aus desillusionierten Edelsteinen. Selbst in ihrem Zorn war sie schön, aber Thomas Covenant sah sie nicht, konzentrierte sich nur auf Linden: ihren von Schluchzern geschüttelten Körper in seinen Armen, ihr weiches Haar an seiner Wange. Von ihrem Schmerz gefangen achtete er nicht auf Infelizitas’ Selbstsucht.
    Doch Lorik Übelzwinger wandte sich nun an die Elohim. »Schweig«, knurrte er. »Die Schuld - falls es überhaupt eine gibt - liegt ebenso gut bei dir wie bei ihm oder ihr. Du fürchtest nur um dich. Die Erde ist dir gleichgültig. Trotzdem gibt es hier viel, was über deine Eigenliebe hinausgeht.«
    Kevin fiel ihm ins Wort. »Nein!«, drängte er, »die Elohim spricht wahr. Habe ich die Verdammnis erlitten, ohne etwas dazuzulernen? Linden hat eine Entweihung vollzogen, die jede Vorstellung sprengt. Auch wenn der Zeitenherr es nicht weiß - die Gedemütigten wissen es. Und die Auserwählte weiß es ebenfalls.«
    »Genug, Sohn des Lorik«, gebot Berek. »Die Entscheidung über das Leben liegt bei denen, die Liebe und Tod kennen. Uns steht es nicht zu, zu urteilen oder zu verdammen. Nur die Zeit gehört uns ebenso wie den Lebenden. Welten werden nicht in Augenblicken erschaffen, und sie gehen auch nicht binnen eines Augenblicks zugrunde. Vieles muss noch geschehen, bevor die Taten der Auserwählten ihre letzte Frucht tragen.«
    Während Covenant Lindens von Kummer und Schrecken verkrampften Körper umschlungen hielt, versuchte er zu begreifen, was er verloren hatte. Er musste sich möglichst viel seines Wissens bewahren; aber eine lethargische Gefühllosigkeit hinderte ihn daran. Als er Kevin von Verdammnis und Entweihung sprechen hörte, veränderten die tektonischen Platten seines Verstands ihre Lage zueinander. Seine Konzentration verflog, und er schien aus der Gegenwart zu gleiten. Er hielt weiterhin Linden in den Armen; sah noch immer, dass die Haruchai sich nur mit Mühe beherrschen konnten, sich nicht auf ihn zu stürzen; fühlte weiter die sorgenvollen Emotionen der toten Hoch-Lords. Die Ramen und die Ranyhyn, der Steinhausener und ein einziger Haruchai hielten sich bereit, Linden notfalls zu verteidigen. Gleichzeitig aber erinnerte Covenant sich an …
    Der Steinhausener hatte sich hinter Linden gestellt, hatte ihr sanft die Hände auf die Schultern gelegt. »Ah, Linden.« Seine Stimme klang kummervoll. »Weine nicht. Ich verstehe nur wenig von dem, was sich ereignet hat. Aber ein erlauchter Geist hat erklärt, dass uns noch Zeit bleibt. Hast du das nicht gehört? Gewiss können die hier versammelten Mächte viel bewirken. Und wir haben noch nicht versucht, deinen Sohn zu befreien. In seinem Namen …«
    Der junge Mann sprach weiter, aber Covenant achtete nicht mehr darauf. Er erinnerte sich an Kevins Konfrontation mit Lord Foul im Kiril Threndor, der Höhle der Macht tief im Donnerberg. Teile seines Verstands erlebten in diesem Augenblick den Beginn jenes lang vergangenen Rituals der Schändung mit, als überlagerte es hier und jetzt Linden und ganz Andelain.
    An diesem Ort zwischen Raum und Zeit war Kevins Verzweiflung so lebhaft wie die Hell-Dunkel-Effekte der stark facettierten Steine an den Höhlenwänden: sein Selbsthass; sein Wunsch, sich selbst zu bestrafen. Seine enttäuschte Liebe und sein Versagen unterstrichen das Flackern von Lord Fouls Bösartigkeit. Wäre Covenant damals wirklich anwesend gewesen, hätte er versucht, Kevins Vorhaben zu verhindern. Er hätte keine andere Wahl gehabt; sein eigener Verstand wäre
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