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Die Peststadt

Die Peststadt

Titel: Die Peststadt
Autoren: Hans Kneifel
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Hoffnungsschimmer zu ergreifen. würdest du mir helfen?«
    »Ich habe es dir versprochen, Königin.«
    Er lächelte sie aufmunternd an. Seine Gedanken aber entsprachen nicht einer solchen Stimmung. Nyrngor überlebte vielleicht noch einen Angriff von dieser Wut. Möglicherweise auch zwei. Aber wenn nicht ein Wunder geschah, würde die Stadt fallen. Und zwar schon bald. Er dachte nicht an sein eigenes Überleben, als er sich schweigend sagte, dass jeder, der dann nicht mehr innerhalb der Mauern war, das bessere Los gezogen hatte; gleichgültig, was es ihm bescherte.
    *
    Als Königin Elivara hinter sich zögernde Schritte hörte, drehte sie sich ganz langsam um - und blickte in das verwirrte Gesicht von Fürst-Richter Carbell. Seine ganze Haltung drückte Schuldbewusstsein aus. Schräg hinter ihm, flankiert von zwei Rauchsäulen brennender Häuser am Osttor, stand bewegungslos Mythor. Die Spitze seines Schwertes, das er locker in der Hand hielt, berührte den Boden.
    »Es erstaunt mich, dass du es wagst, mir gegenüberzutreten«, sagte die Königin. Ihre Sorgen waren zu groß, als dass sie Carbell noch fürchtete. Mythors Blick ruhte auf ihnen, und seine Missbilligung war nicht zu übersehen.
    »Ich war in der Gewalt von Aerinnen und Feithearn, zwei Caer-Priestern. Ich konnte mich ihrer magischen Macht nicht widersetzen.«
    Das Dach von Schloss Fordmore war, abgesehen von ihnen, verlassen. Aus allen Teilen der Stadt drangen die Geräusche der Arbeiten herauf. In einer guten Stunde würde die Sonne untergehen.
    »Der Überfall, der mit Mythors Begleiterin geplante Verrat? Du bist dafür verantwortlich?« fragte sie kühl. »Du weißt, dass dich Dhorkans Männer suchen?«
    »Ich stand unter ihrem magischem Einfluss!« sagte er mit der Stimme eines Mannes, der mit seinem Leben abgeschlossen hat.
    »Und jetzt?«
    Langsam kam Mythor näher. Er wusste, was er getan hätte. Aber hier war sie die Herrscherin. An ihr lag es, Carbell zu verzeihen oder nicht.
    »Jetzt ist der magische Bann von mir genommen«, stöhnte er. »Ich sah, was ich beinahe angerichtet hätte.«
    »Du warst meinem Vater Freund, Berater und Helfer«, sagte sie. »Aus diesem Grund bin ich gezwungen, großmütig zu sein. Vielleicht kannst du den Sturm der Caer aufhalten?«
    Er krümmte sich förmlich unter ihrem schneidenden Spott. Aber er begriff, dass sie ihm das Leben geschenkt hatte. Der nächste Schritt lag klar vor ihm.
    »Ich danke dir, Königin«, sagte er gezwungen. »Ich bereue alles, obwohl mich ein fremder Wille dazu gezwungen hat. Aber ich werde für dich ebenso kämpfen wie für König Carnen damals.«
    »Du solltest entschlossener kämpfen, denn mein Vater stand niemals davor, Nyrngor zu verlieren. Beim nächsten Angriff sehe ich dich am Hafentor kämpfen.«
    Er verbeugte sich knapp. Mythor, der neben Elivara an der Brüstung des Daches lehnte, sah, wie der Fürst-Richter langsam zur Treppe zurückging. Misstrauen und ein warnendes Gefühl, das ihn noch nie getrogen hatte, sagten ihm, dass Car- bell keineswegs geläutert oder wieder Herr seines Willens war. Er sagte leise: »Ich bin anderer Meinung als du, Elivara. Es ist deine Entscheidung. Noch in dieser Nacht werden wir wissen, wer Carbell wirklich ist.« Schweigend blickten sie auf die Stadt, die langsam im Dunkel des Abends versank.
     







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