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Die Peststadt

Die Peststadt

Titel: Die Peststadt
Autoren: Hans Kneifel
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zerbrach dicht hinter dem Griff. Er warf die nutzlose Waffe wütend in Mythors Richtung; sie prallte klirrend vom Schild ab und streifte die Flügel des Helms. Dann packte der namenlose Caer den Schild mit beiden Händen, hob ihn über den Kopf und fing Mythors nächsten Streich ab. Mythor spannte seine Muskeln, dann zog er den Hieb senkrecht über seinen Kopf hinweg und spaltete den Schild in zwei Hälften. Noch ehe die Spitze des Schwertes in Bodennähe war, stach es zu und durchbohrte den Caer.
    Als Mythor die Klinge aus dem Körper riss, der sich nach vorn zusammenkrümmte, machte ihn und alle anderen ein ungeheures Krachen halb besinnungslos. Es war lauter und schärfer als der lauteste Donnerschlag.
    Die Mauern bebten. Einige Nyrngorer fielen wie tot um. In Mythors Ohren war ein summendes Klingeln, aber als er taumelnd nach Luft schnappte und den Kopf schüttelte, erkannte er, dass auch das Blitzen und Funkeln aufgehört hatte. Alle Gegenstände hatten wieder ihr vertrautes Aussehen.
    »Bei Erain!« rief er. »Und wir leben noch!«
    Nur noch an vier Stellen wurde gekämpft. Sadagar stand da, als sei er zur Statue erstarrt, ein Messer in den Fingern und ohne Ziel. Dann bewegte er sich wieder wieselgleich und holte seine Wurfgeschosse zusammen.
    Nottr taumelte auf Mythor zu, sein Körper vom Hals bis zu den Schienbeinen blutbespritzt. Er hob das Krummschwert, von dessen Schneide ebenfalls rote Tropfen perlten, dann rief er aus: »Wir haben sie wieder zurückgetrieben!«
    »Um welchen Preis, mein Freund«, stöhnte Mythor.
    Der Platz lag voller Leichen. Verwundete schleppten sich dazwischen in den Schatten. Elivara lehnte an einer Mauer, presste die Hand auf die Schulter und keuchte erschöpft. Dhorkan schmetterte seinen zerhauenen Schild zu Boden und blickte prüfend hinauf zur Mauer, aber dort sah er nur die Bogenschützen, die ihre Pfeile den Caer nachschickten.
    Von der Mauer kam ein Schrei, heiser und voller Verwunderung: »Sie ziehen sich zurück! Alle Caer sammeln sich.«
    Vom nächsten Turm rechts kam ein Hornsignal. Dhorkan sagte zu Mythor und Nottr: »Das Signal bedeutet dasselbe.«
    Der Späher des linken Turmes blies nur wenige Augenblicke später dieselbe Tonfolge.
    »Unfassbar. Sie waren so nahe daran, die Stadt zu erobern«, sagte Elivara schwach und lehnte sich an Mythors Schulter. Wie ein Echo der beiden ersten Hornzeichen kamen von den anderen Türmen der Stadt die Signale. In den Gassen näher zum Stadtmittelpunkt erhoben sich schwache Siegesrufe.
    Mythor schüttelte den Kopf, nahm den Helm ab und sagte bestimmt: »Wir haben einen Kampf gewonnen, aber keineswegs die Schlacht. Vielleicht gibt es einen Grund dafür, dass sich das Heer des O'Marn zurückzieht. Wir wissen nicht, wie lange die Ruhe währt, aber jetzt sollten wir rasten.«
    »Lass mein Gespann bringen!« bat Elivara müde.
    »Es war nur ein Aufschub«, grollte Nottr. »Die Caer geben nicht auf.«
    Ein verwundeter Krieger brachte das Gespann. Mythor stützte Königin Elivara und führte die Zügel. Die Schatten der Häuser wurden länger, die abendliche Kühle ließ die abgekämpften Menschen frösteln.
    Plötzlich sagte Elivara in hoffnungslosem Ton: »Es gibt nur noch einen Lichtblick. Ich sprach schon davon. Sklutur, der Beinerne, hat mit meinem Vater einst einen Vertrag geschlossen. Sklutur wohnt etwa drei Tagesreisen entfernt im Friedhof der Mammuts. Ich habe ihn nie gesehen. Aber der Vertrag existiert wirklich.«
    Mythor schwieg und nickte ihr aufmunternd zu.
    »Skluturs Recht, bei Vollmond den höchsten Turm Nyrngors zu besteigen, ist ein Teil des Vertrags. Der andere ist, dass er sich verpflichtet hat, seine magischen Fähigkeiten für die Kinder Carnens einzusetzen, wenn sie ihn darum bitten. Hester und ich, wir sind diese Kinder. Ich halte nichts von diesem Bündnis - aber kannst du mir mehr Hoffnungen machen?«
    »Nein«, sagte er. »Aber ich weiß, dass die kleinste Hoffnung besser ist als gar keine. Und, wer weiß, vielleicht ist Sklutur so mächtig, dass er uns gegen die Caer helfen kann?«
    Im gleichen Atemzug sagte er sich, dass es kaum möglich sei, die Stadt zu verlassen, ohne von den Caer gefasst zu werden. Es ging vielleicht im Schutz der Nacht. Oder auf geheimen Pfaden, die er nicht kannte.
    Er fragte nachdenklich: »Und du bist sicher, dass dein Vater mit diesem Sklutur den Vertrag abgeschlossen hat?«
    »Das weiß ich sicher«, bestätigte Königin Elivara. »Falls wir uns entschließen, diesen winzigen
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