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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin
Autoren: Ricarda Jordan
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ließ Al Shifa mit dem Kind allein. Sie hatte jetzt anderes zu tun, und bei der Maurin war das Mädchen offensichtlich in guten Händen.
    Sarah von Speyer erwartete sie ungehalten. Die junge Frau war schön und verwöhnt. Sie schien die Schmerzen einer Geburt als persönliche Beleidigung zu betrachten und ließ ihren Zorn an jedem aus, der ihr am Wochenbett beistand. Rachel ließ ihre Vorwürfe für ihr Ausbleiben geduldig über sich ergehen, während sie die Gebärende untersuchte. Al Shifa hatte recht gehabt. Alles ging gut, nur ein wenig langsam. Rachel gab dem Küchenmädchen ein paar Kräuter, um einen Tee aufzubrühen. Vielleicht ließ die Sache sich ja etwas beschleunigen. Vor allem musste Sarah wissen, dass man sich um sie kümmerte. Rachel bemühte sich, sie bequemer zu betten, und unterhielt sie mit der Nachricht von der Geburt des kleinen Ezekiel ben Salomon von Metz, dem sie vorhin auf die Welt geholfen hatte.
    »Ach, das freut mich für die Metzens, dass es ein Junge ist!« Sarah war gleich besserer Laune, war sie doch mit Ruth von Metz eng befreundet. »Ich dagegen würde mich nicht ärgern, wenn es diesmal eine Tochter würde. Ich glaube, Benjamin auch nicht, obwohl er natürlich sagt, ein Mann könne nicht genug Söhne haben. Und wenn nun Ruths Ezekiel und mein Mädchen am gleichen Tag geboren werden ... Vielleicht ist das ja ein Zeichen! Wir mögen sie miteinander verheiraten, wenn sie erwachsen sind!«
    Rachel hielt die Bemerkung zurück, dass man das Kind doch besser erst mal zur Welt brächte, bevor man es verkuppelte. Auch ließ sie die Uhrzeit unerwähnt. Es hatte noch nicht zwölf geschlagen, doch bevor das Kind zur Welt käme, würde der Tag auf jeden Fall zu Ende gehen. Dabei schien Sarahs Kind es jetzt ein wenig eiliger zu haben. Die Geburt ging schneller voran, als Rachel und Al Shifa angenommen hatten. Die Anwesenheit der Hebamme hatte Sarah wohl mit neuem Mut erfüllt. Dennoch war Zeit zwischen den Wehen, und Rachel nutzte sie, um Sarah Speyer eine verkürzte Version ihres Abenteuers im Stall des »Güldenen Rads« zu erzählen. In aller Vorsicht natürlich; die junge Frau durfte auf keinen Fall denken, Rachel habe sie zu Gunsten einer christlichen Hure vernachlässigt. Aber Sarah war jetzt gut aufgelegt.
    »Und Ihr habt das Kind mitgebracht?«, fragte sie beinahe belustigt. »Ein Hurenkind? Was wollt Ihr damit anfangen?«
    Rachel zuckte die Achseln. »Eurer Al Shifa scheint es zu gefallen. Ich hab sie nie so glücklich gesehen wie in dem Moment, als sie es an die Brust nahm. Vielleicht erlaubt Ihr ja, dass sie es behält ...?«
    Rachel glaubte nicht wirklich daran und versuchte deshalb, die Frage ein wenig scherzhaft klingen zu lassen, doch sie konnte die Hoffnung in ihrer Stimme nicht gänzlich verbergen.
    »Sie hat wohl selbst Kinder gehabt«, meinte Sarah und bäumte sich gleich darauf unter der nächsten Wehe auf. Rachel stützte und beruhigte sie, wies sie an, richtig zu atmen und gab ihr Tee zu trinken, als sie wieder zur Ruhe kam. Erst dann griff sie das Thema erneut auf.
    »War sie denn verheiratet, dort im Morgenland, wo sie herkommt?« Rachel war neugierig.
    Sarah schüttelte den Kopf. »Sie kommt nicht aus dem Morgenland, sondern aus den iberischen Landen. Al Andalus, wie sie es nennt. Es liegt tief im Süden, aber man muss kein Meer überqueren, um dorthinzukommen. Ich glaube allerdings nicht, dass sie dort Kinder hatte; das muss schon im christlichen Spanien gewesen sein. Sonst wären die Bälger wohl nicht im Kloster gelandet, und da sind sie angeblich. Ihr früherer Herr hat sie fortgegeben ... oh, es geht wieder los! Der Schmerz! So tut doch etwas, Frau Rachel!«
    Rachel konnte nicht viel tun, doch es war sicher nicht ratsam, jetzt weiter über irgendetwas anderes zu reden als über Sarahs Niederkunft. Sie bemühte sich also, die junge Frau zu beruhigen und zu trösten. Und schließlich hielt sie wortlos durch, als Sarah ihre Hände in der letzten Phase der Geburt schmerzhaft drückte und zerkratzte. Die junge Mutter schrie dabei zum Steinerweichen; dann aber schob sich das Kind endlich ins Freie. Zum zweiten Mal in dieser Nacht nahm Rachel ein blondes kleines Mädchen in Empfang. Sarah vergaß ihre Schmerzen sofort und strahlte übers ganze Gesicht.
    »Sie soll Lea heißen!«, bestimmte sie und versuchte, sich aufzurichten. »Nach Benjamins Mutter. Was macht Ihr denn so lange, Frau Rachel? Lasst sie mich halten, ich will sie sehen!«
    Rachel ließ sich nicht hetzen. In
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