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Die Peitschenbrüder

Die Peitschenbrüder

Titel: Die Peitschenbrüder
Autoren: Horst Hoffmann
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über Lockwergen den Mut geraubt?« Sie lachte schallend, als der Mann beim Klang ihrer Stimme zusammenzuckte. »Seht ihn euch an, Brüder!« rief sie. »Wir haben einen Feigling unter uns, der sich vor der Dunkelheit fürchtet!« Sie spuckte ihm vor die Füße.
    Jesserk fuhr herum. In seinen Augen blitzte es zornig auf. »Hexe!« schrie er. »Verfluchte Hexe! Eines Tages werde ich dir.«
    »Was wirst du, eh?« In der Hand der Rothaarigen blitzte ein Messer. So schnell, dass niemand die Bewegung richtig wahrnahm, war es an Jesserks Kehle. »Sag es! Was wirst du tun?«
    »Das reicht!«
    Goltan riss den Mann von ihr fort.
    »Er hat mich eine Hexe genannt!« schrie sie. »Ich werde ihm die Zunge aus dem Hals schneiden. Gib ihn mir, Goltan!«
    »Schweig, Sar!« Goltans Stimme war wie ferner Donner. Noch zuckte kein Muskel in seinem Gesicht, als er sich zu Jesserk umdrehte. »Du hältst meine Entscheidung für falsch? Du bist feige geworden?«
    »Die Hexe hat das gesagt! Ich.« Die Rothaarige stieß einen schrillen Schrei aus und wollte sich erneut auf Jesserk stürzen. Goltan packte sie am Schopf und stieß sie zurück. Sar landete auf dem Rücken.
    »Zehn Schritte, Jesserk«, sagte Goltan, immer noch ruhig.
    Die Augen des Mannes weiteten sich. »Du willst.? Nein, Goltan! Du hast recht! Wir brauchen eine Rast! Lockwergen läuft uns nicht davon. Wir.«
    »Zehn Schritte!«
    Jesserk warf sich vor dem Hünen auf die Knie und umklammerte dessen Beine. Goltan winkte zwei Männer heran. »Packt ihn. Zehn Schritte!«
    Sie rissen Jesserk von ihm los und zerrten ihn mit sich, zehn Schritte vom Einäugigen fort. Dann ließen sie ihn liegen und sahen zu, dass sie sich schnellstens in Sicherheit brachten.
    Goltan hob die Hand mit der Peitsche, die noch aufgewickelt war.
    »Nein!« schrie Jesserk. Er sprang auf die Beine, streckte abwehrend die Hände aus.
    Goltans Arm fuhr in die Höhe und zuckte kaum merklich nach vorn. Sirrend schoss die Peitschenschnur durch die Luft und fand ihr Ziel. Ungläubig starrte Jesserk auf seine linke Hand, an der jetzt ein Finger fehlte.
    »Gehen wir!« rief der Einäugige, ohne sich weiter um den Unglücklichen zu kümmern. Sar war neben ihm, als er an der Spitze der Peitschenbrüder den Hügel hinabging. Eine Frau blieb zurück und kümmerte sich um Jesserks Hand.
    »Diese Hexe!« heulte Jesserk. »Ich werde Goltans verdammte Hure töten, noch bevor wir in Lockwergen sind!«
    »Sei still, du Narr! Vergiss Sar und denk an die Beute, die wir in der Geisterstadt machen können.«
    »Das kann ich nicht.« Jesserk presste die Lippen aufeinander und wartete, bis die Frau die Blutung zum Stillstand gebracht hatte. »Ihr habt doch auch Angst vor dem, was in Lockwergen auf uns.«
    Sie drehte sich um und ging den anderen nach. Noch einmal blieb sie stehen und drehte sich zu Jesserk um. »Sar hat recht!« sagte sie verächtlich. »Du bist ein Feigling, Jesserk.«
    Jesserk knurrte etwas Unverständliches in seinen spärlichen Bart und folgte ihr in einiger Entfernung, um sich erst im Tal wieder den Peitschenbrüdern anzuschließen.
    Und sie haben doch Angst! dachte er. Jesserk war kein Feigling. Er hätte es mit jedem Kämpfer aus Fleisch und Blut aufgenommen. Aber bei dem Gedanken an das, was die Caer mit Lockwergen gemacht hatten, lief ihm ein eisiger Schauer über den Rücken.
    *
    Nach Goltans Anweisungen umzingelten die Banditen den Bauernhof, der aus einem Wohnhaus und mehreren großen Ställen bestand. Von der Sippe des Bauern war nichts zu sehen. In den Ställen schrien Tiere. Goltan stand auf einer kleinen Anhöhe und dirigierte die Peitschenbrüder mit seinen mächtigen Armen. Vermutlich war der Hof verlassen. Seine Bewohner mochten die Feuer in der Ferne gesehen oder von Reitern, die den Peitschenbrüdern entkommen waren, vom Raubzug der berüchtigten Bande gehört haben. Goltan konnte es recht sein.
    Auf sein Zeichen hin begannen rund um das Gehöft herum die Peitschen zu knallen, einfache Nachbildungen von Goltans Peitsche, aus Holz und Lederriemen. Doch auch sie waren tödliche Waffen in den Händen der Plünderer. Wer am besten mit ihnen umgehen konnte, nahm in der Hierarchie der Bande einen Platz gleich hinter Goltan ein. Der Kampf mit der Peitsche war zu einem Kult geworden. Zwar waren die Bandenmitglieder auch mit Messern, Dolchen und Speeren bis an die Zähne bewaffnet, doch davon machten sie erst dann Gebrauch, wenn sie ihre Peitschen im Kampf verloren oder auf Gegner trafen, gegen die sie mit
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