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Die Peitschenbrüder

Die Peitschenbrüder

Titel: Die Peitschenbrüder
Autoren: Horst Hoffmann
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kommen.«
    »Du sollst trinken!«
    Mythor spuckte wieder aus. Goltan rief nach einigen Männern, die schnell über Mythor waren, ihn in die Höhe zerrten und seinen Kopf in den Nacken rissen. Mit Gewalt flößte Goltan ihm den Trank ein. Mythor wurde losgelassen, fiel zu Boden und schüttelte sich. Sar, die den Trank selbst zubereitet hatte, rieb sich die Hände.
    Goltan ließ Mythor liegen und trat zwischen die Feuer. »Reißt den Pfahl wieder heraus!« befahl er einigen Betrunkenen. »Der Messerwerfer ist erst später an der Reihe.« Er drehte sich zu Mythor um. »Wenn du glaubst, es noch einmal mit Goltan aufnehmen zu können, dann komm her! Du siehst, ich bin unbewaffnet. Kämpfe mit deinem Schwert gegen mich!«
    Mythor richtete sich schwerfällig auf. Die Welt schien sich um ihn herum zu drehen. Er sah das grinsende Gesicht der Rothaarigen vor sich, wie sie ihn mit ihren dünnen Fingern lockte, und wusste, von welcher Art der Trank gewesen war. Seine Glieder waren schwer wie Blei, und jeder Schritt auf Goltan zu kostete fast übermenschliche Kraft.
    Mythor zwang sich, die Kreiselbewegungen um ihn herum zu ignorieren. Dort stand sein Gegner, seines Triumphes sicher. Mythor trat zwischen die Feuer. Er wartete, sah Goltan ins Auge und holte tief Luft.
    Als er das Schwert hob, wusste er, dass er keine Chance hatte.
    *
    Nottr ging das, was draußen vorging, nichts an. Sicher fielen die betrunkenen Banditen übereinander her oder tobten sich sonstwie aus. Es konnte ihm egal sein. Für ihn gab es nur Kalathee. Wieder fühlte er sich ähnlich hilflos wie in jenem verlassenen Haus in Lockwergen, als er nun vor ihr saß und ihr Gesicht im Licht der Talgkerzen beobachtete. Jetzt schien Kalathee in einer anderen Welt zu leben, sich in sie hineingeflüchtet zu haben, weg von ihm, von dem Gesicht, das sie nicht mehr länger ertragen konnte, der Stimme, den rauen Händen, die verzweifelt gestikulierend um Verständnis baten.
    Nottr empfand Ekel vor sich selbst. Seine Gedanken und Gefühle wechselten von Augenblick zu Augenblick. Manchmal war er nahe daran, auf Sars Angebot zurückzugreifen und sich Kalathee mit dem Liebestrank gefügig zu machen. Dann wieder wollte er ihr Gesicht, dieses so ungeheuer zarte Gesicht, in seine Hände nehmen und es streicheln, sie für alles, was er ihr angetan hatte, um Verzeihung anflehen.
    Hier saß er allein mit ihr in der Hütte. Er hätte sie sich nur zu greifen brauchen, aber jetzt, da er einigermaßen zur Ruhe gekommen war, konnte er es nicht mehr.
    Wieder wollte er sie ansprechen, doch schon nach den ersten Worten merkte er, dass sie ihn nicht hörte. Sie war entrückt, nahm nichts mehr wahr.
    Draußen wurde geschrien. Das war kein Kampf unter Betrunkenen mehr. Draußen wurde um Leben und Tod gekämpft. Und jetzt, als es in der Hütte völlig still war, hörte Nottr jene Stimme, die er unter Tausenden erkannt hätte.
    Kalathees Blick klärte sich. Ungläubig starrte sie Nottr an. Wie lange hatte der Lorvaner darauf gewartet, doch jetzt bemerkte er es kaum.
    Dort draußen befand sich Mythor! Und er kämpfte gegen eine Übermacht!
    Nottr hätte später nicht zu sagen gewusst, was in diesem Augenblick in ihm vorging, in dem er den ehemaligen Freund, den Mann, den er zu bewundern und im stillen zu hassen gelernt hatte, in tödlicher Gefahr gewahrte. Er wusste nur eines, und dieses Ziel stand klarer vor ihm als alles andere. Er konnte Mythor nicht im Stich lassen. Alles, was er sich in Gedanken zurechtgelegt hatte, wurde unwichtig. Es war ihm nicht egal, was mit Mythor geschah, nicht egal, was aus Sadagar wurde.
    In diesem Moment erkannte der Barbar aus den Wildländern in voller Konsequenz, welch schändlichen Verrat er begangen hatte.
    Er hörte, wie Goltan Mythor anschrie, und hörte Mythors unverständliche Antwort. Das Blut schien ihm in den Adern gefrieren zu wollen, bis er hörte, dass Goltan gegen Mythor kämpfen wollte.
    Das würde nie und nimmer ein fairer Kampf werden, aber es verschaffte Nottr Zeit, etwas zu unternehmen. Er und Kalathee waren frei. Die Wachen, von denen Goltan gesprochen hatte, hatten nun bestimmt nur noch Augen für den bevorstehenden Zweikampf, falls sie nicht ohnehin schon betrunken neben der Hütte lagen. Und Goltan selbst war in seinem Hass auf Mythor blind für alles andere.
    Davon ging der Lorvaner aus, und als er nun sah, dass Kalathee schreien wollte, war er bei ihr und drückte seine Hand auf ihren Mund. »Bitte, hör mit jetzt genau zu«, flüsterte er
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