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Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
Autoren: Oliver Buslau
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– so detailliert, dass sie sogar die Geige erkannte, die Corelli spielte. Die Schwarze Violine, ihre Violine. Tamara. Und wieder wechselte das Bild. Ein schlaksiger Geiger im Frack, der ihm um die dürre Figur schlotterte, eine Hakennase, die aus dem bleichen Gesicht herausragte, spinnenbeindünne weiße Finger, die Tamara zum Weinen, zum Schreien, aber dann auch wieder zum süßen Singen brachten. Aus dem bunten Nebel der Improvisationen tauchte das Bild einer Insel im glatten, spiegelnden Meer auf. Die Toteninsel, wo man Paganinis Leiche aufbewahrt hatte, jahrzehntelang, bevor sein Erbe ihn auf einem Friedhof begraben durfte.
    Mara spielte und spielte, und sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als etwas aus der Dunkelheit auf sie zustürmte. Ihr Arm wurde zur Seite gerissen. Ihr Spiel verstummte. Ihr Herz schien einen Moment auszusetzen.
    Mit einer schnellen Bewegung wandte sie sich in die andere Richtung, hinein ins Dunkel, weg von dem Etwas, das sie angefallen hatte wie ein Untier aus der Tiefe.
    Mara blieb stehen, fühlte die plötzliche Stille, die sie zu erdrücken schien und in der nur ihr eigener Atem pumpte, begleitet vom Rauschen ihres Bluts, das mit jedem der harten Herzschläge lauter zu werden schien.
    »Mara?«, flüsterte das Etwas aus dem Dunkel.
    »Mara, wo bist du?«
    Wieder wurde sie gepackt.
    »Schnell, wir müssen weg. Folg mir!«
    Ein Licht erschien. Es war eine Taschenlampe. Und Mara erkannte, wer da im Dunkel auf sie zugestürmt war.
    »Jakob?«
    »Nun komm schon!«
    »Wohin?«
    Ein weiteres Licht erschien. Von der anderen Seite. Wo Deborah und Quint warteten.
    »Was ist?«, rief Deborah von hinten. Das Licht von dort kam näher.
    Jakob packte Mara am Arm und zog sie in die andere Richtung, quer durch den Raum, der in der Form einer Violine gebaut war. Sie wusste nicht, wo es da hinging. Sie hatte den Raum nicht ganz erforschen können. Deborah und Quint wahrscheinlich auch nicht.
    »Es hat keinen Sinn wegzulaufen«, rief Deborah. »Da hinten kommt ihr nicht weit.«
    Jakob blieb stehen und leuchtete die Wand ab. Mara drehte sich um. Auch Quint und Deborah waren stehen geblieben und ähnelten in ihren Overalls und in dem unwirklichen Licht der Lampen zwei Außerirdischen aus dem Film Unheimliche Begegnung der dritten Art .
    »Das hätte ich mir denken können«, ertönte Deborahs Stimme. »Herr Lechner ist uns gefolgt. Ich frage mich, wie es ihm gelungen ist, an uns vorbeizukommen.«
    Quint hob einen Arm. Etwas Dickes war an dessen Ende zu erkennen. Ein Schatten, von dem Mara wusste, was sich dahinter verbarg. Es war eine Pistole.
    »Keine Sorge«, sagte Deborah. »Dir geschieht nichts, Mara. Wir müssen nur dafür sorgen, dass wir den Herrn hier loswerden. Wir können ihn nicht gebrauchen.«
    Mara wollte Jakob etwas zurufen. Sie wollte ihn zur Eile antreiben.
    Tu irgendwas. Wir müssen hier raus. Weg von diesen Wahnsinnigen.
    Aber es war alles nur in ihren Gedanken. Sie drückte Tamara an sich. Die Violine und den Bogen.
    Quint zielte. Sollte Mara sich vor Jakob werfen?
    Im letzten Moment kam ihr eine Idee. Es würde nicht viel helfen, aber jede Sekunde, die sie lebten, zählte. Ein Déjà-vu schoss ihr durch den Kopf. Die Szene, als sie – Quint völlig ausgeliefert – im Wald gestanden hatte.
    »Runter«, zischte sie Jakob zu.
    Sie ließen sich beide fallen. Mara schützte ihre Geige.
    Quints Schuss pfiff dicht an ihnen vorbei und sprengte hinter ihnen etwas von der Mauer ab. Steinsplitter trafen Mara.
    Der Amerikaner rief etwas. Hob die Waffe erneut.
    Wollte schießen.
    Mara sah nach oben auf seine Gestalt. Und plötzlich war es, als würde seine dunkle Silhouette wie in einem Puppenspiel hin- und hergeschleudert. Sie verlor das Gleichgewicht. Ein mörderisches Grollen drang durch die Höhle. Es kam von weit hinten, wo der Einstiegsschacht lag, und arbeitete sich zu ihnen vor. Es schob eine Welle der Zerstörung vor sich her. Die Lampen, die Deborah und Quint beleuchtet hatten, wurden trübe. Sie verschwanden in einem dichten Nebel aus Staub und Geröll und verloschen ganz.
    Jakob packte Mara erneut am Arm, riss sie in Richtung der rückwärtigen Wand, die auf einmal verschwunden zu sein schien. Oder gab es da einen Durchgang, den sie nicht bemerkt hatte? Ein Durchgang, den Jakob suchte, indem er fluchend die Wand ableuchtete.
    Mara blieb die Luft weg. Staub drang in ihre Nase und in ihre Lunge. Sie rang nach Atem und war plötzlich wie gelähmt, doch Jakob zog sie weiter. Sie
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