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Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
Autoren: Oliver Buslau
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Stadt?«
    »Florenz.«
    »Sprichst du kein Italienisch?« Misstrauen drang aus der Stimme des alten Mannes. Aber er war darauf vorbereitet.
    »Nicht sehr gut. Ich komme aus Deutschland, aus Preußen. Eigentlich heiße ich Julius. Julius Gmelin. Ich habe nur die italienische Schreibung meines Namens angenommen und nenne mich Giulio Gemino. Ich bin erst vor einigen Tagen hier eingetroffen. Hier ist es sehr schön. Es ist viel wärmer als bei uns im Königreich Preußen, die Luft duftet geradezu, und es gibt sehr viel Musik. Die Musik liebe ich ganz besonders. Wegen der Musik bin ich hergekommen. Ich spiele die Violine.«
    »Welches Jahr schreibt ihr?«
    »Wir schreiben das Jahr 1761.«
    »Hat dich jemand aus Italien in den Dienst genommen?«
    Er wartete mit der Antwort. Er musste Pausen einlegen, damit es echt wirkte.
    »Ich bin auf eigene Faust hierhergereist. Ich hoffe, in einen Kreis von Musikern aufgenommen zu werden. Es ist eine Akademie, die auf den Spuren unseres großen Vorgängers wandelt.«
    »Eures großen Vorgängers? Wer soll das sein?«
    » Orfeo.«
    »Wie heißt der Herr, dem das Anwesen gehört, auf dem du dich aufhältst?«
    »Sein Name ist Gritti. Er ist für die Musiker eine Art Maecenas. Alle sind ihm sehr dankbar. Doch wer in den erlauchten Kreis aufgenommen werden will, muss eine Prüfung ablegen. Er muss sein Können beweisen. Es heißt, man muss für die Prüfung tief hinunter in die Erde. An irgendeinen Ort, der unter diesem grünen Park liegt. So wie Orpheus selbst in die Tiefen hinabgestiegen ist, um das zu erhalten, was ihm das Liebste war – seine geliebte Eurydike. Wobei es eigentlich die Musik ist, die er mitbrachte. Es heißt, seine Musik sei viel reicher und ausdrucksvoller gewesen, nachdem er zurückgekehrt war. Weil er ein großes Gefühl zu besingen hatte. Einen Schmerz. Und so fürchte ich mich ein wenig vor der Prüfung. Ich fürchte mich, weil ich glaube, dass man auch mir einen Schmerz zufügen wird.«
    Er ließ seine Worte wirken. Und er wusste genau, dass sie wirken würden. Wie alle Rückführungen wurde auch dieses Gespräch für spätere Analysen aufgezeichnet, aber auch schon während der Sitzung von einem unsichtbaren Helfer überprüft. Und dieser Helfer würde jetzt herausfinden, dass es diese Villa bei Florenz gegeben hatte, die einem gewissen Gritti gehörte. Nur die Information, dass sich dort die Orphische Akademie getroffen hatte, dass dort Geheimnisse der orphischen Traditionen zu finden waren, dürfte selbst für die Alten Seelen etwas Neues sein. Und Neues wollten sie. Wer ihnen Neues brachte, nützte ihnen.
    Zeit verging. Stille lastete auf dem Raum. War der alte Mann noch da? Es war normal, dass man, wenn die direkte Ansprache ausblieb, von selbst zurückkehren konnte, und er überlegte, ob er das simulieren sollte.
    Er öffnete langsam die Augen.
    Das große, holzgetäfelte Zimmer. Der Mann hinter dem blanken Schreibtisch mit der dramatischen Maserung.
    »Wo war ich?«, fragte Jakob und räusperte sich.
    Der Mann musterte ihn. »Das war nicht das, was wir verabredet hatten«, sagte er.
    »Ich verstehe nicht.«
    »Dein Auftrag, dein Dienst, den du selbst vorgeschlagen hast, war ein anderer. Du solltest jemanden finden, dessen Seelenwanderung bis zu Orpheus in die Antike zurückreicht. Stattdessen gibst du dich als jemand aus, der zu einer angeblichen Orphischen Akademie der Barockzeit gehört.«
    Jakob tat erstaunt. »Wie bitte? Ich gebe mich nicht aus, ich …«
    »Dann erkläre mir das. Erst ein Bibliothekar der Bibliothek von Alexandria. Nun das.«
    »Ich weiß es doch nicht. Ich weiß nicht, wie sich meine früheren Leben mit den Traditionen des Orpheus verstricken. Ich weiß nur, dass ich …«
    Nein, das durfte er nicht sagen. Er durfte nicht zugeben, dass er schon so lange von dem Thema gefesselt war. Sie würden ihm wieder vorwerfen, in den Rückführungen selbst Erforschtes als selbst Erlebtes zu verkaufen.
    »Was weißt du?« Der Blick des Mannes war unerbittlich.
    »Ich weiß nur, dass Musik in mir manchmal eine Ahnung auslöst. Nur manche Musik. Musik aus der Barockzeit. Als habe ich sie selbst einmal gespielt. Dabei beherrsche ich gar kein Instrument.«
    Der Mann nickte wohlwollend. So etwas gab es. Das blieb im Rahmen.
    »Hast du eine Reinkarnation des Orpheus gefunden?«, fragte er. »Wie du es angekündigt hast?«
    Jakob nickte.
    »Wer ist es?«
    »Es ist eine Frau.«
    Der Mann zog die dicken Augenbrauen nach oben. Es war lange darüber
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