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Die Orestie

Titel: Die Orestie
Autoren: Aischylos
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diesem Heiligtum
    Der Gottorakel weilen, solch entweihend Greul!
    So zieht hinaus, weitschwärmend, hirtenlos zerstreut;
    Denn solcher Herd' ist keiner hold der Himmlischen.
    CHORFÜHRERIN.
    Du, Fürst Apollon, höre nun auch wieder mich!
    Wohl bist du nicht zu nennen als Mitschuldiger,
    Nein, du allein tatst alles, du Allschuldiger!
    APOLLON.
    Wie das? So lang noch sei zu reden dir vergönnt!
    CHOR.
    Du allein gebotst dem Fremdling seiner Mutter Mord!
    APOLLON.
    Ich gebot ihm seines Vaters Rache. Weiter dann!
    CHOR.
    Die frische Blutschuld wieder nahmst du über dich!
    APOLLON.
    In meines Tempels Schutz zu fliehn, befahl ich ihm.
    CHOR.
    Und uns verschmähst du, die ja doch ihn geleiteten!
    APOLLON.
    Euch kommt es nicht zu, meiner Wohnung euch zu nahn.
    CHOR.
    Und dennoch aufgetragen ward uns diese Pflicht.
    APOLLON.
    Welch eine Pflicht denn? Rühme doch dein schönes Amt!
    CHOR.
    Den Muttermörder treiben wir aus Haus und Hof!
    APOLLON.
    Auch den des Weibes, die den Gatten umgebracht?
    CHOR.
    Nicht soll der ruchlos blutverwandte Mord geschehn!
    APOLLON.
    So ganz mißehrt wird und geringgeschätzt von dir
    Der großen Hera und des Zeus eidheilger Bund,
    Mißehrt auch Kypris und beschimpft mit solchem Wort,
    Von der doch alles Liebste kommt den Sterblichen!
    Geeint vom Schicksal wird des Mann und Weibes Bund
    Von diesem Rechte heilger, als durch Schwur bewacht.
    Wenn nun du mild bist jenen Wechselmordenden,
    Nicht ihnen nachjagst, nicht sie suchst mit wildem Zorn,
    So sag ich, nicht treibst du gerecht Orestes fort:
    Dies eine, weiß ich, willst du und verlangst du ganz,
    Des andren denkst du offenbar saumseliger.
    Pallas Athene wird erforschen beider Recht.
    CHOR.
    Von jenem Mörder laß ich nun und nimmermehr!
    APOLLON.
    Magst ihn verfolgen, dir zu mehren deine Müh!
    CHOR.
    Nicht kränk an meinen Ehren mich mit solchem Wort!
    APOLLON.
    Böt man sie mir, als Schande wies' ich sie zurück!
    CHOR.
    Ein Mächtger freilich wirst an Zeus' Thron du genannt!
    Ich aber – forttreibt Mutterblut mich, zum Gericht
    Nacheil ich ihm, nachspür ich seinem fliehnden Fuß!
     
    Der Chor ab.
     
    APOLLON.
    Ich aber will ihm Retter und Beschützer sein;
    Denn vielgewaltig ist bei Mensch und Gott der Zorn
    Des Schutzbefohlnen, wenn ich treulos ihn verriet. –
     
    Ab in den Tempel.
    Tempel der Pallas Athene zu Athen; vor demselben ein Altar mit dem Bilde der Göttin. Orestes kommt ohne Hermes, setzt sich an den Altar der Göttin und umfaßt ihr Bild.
     
    ORESTES.
    Herrin Athene, auf des Loxias Geheiß
    Komm ich; so nimm du gnädig auf mich Schuldigen,
    Nicht mordbefleckt mehr, nicht mit ungesühnter Hand,
    Nein, abgestumpft schon, weit umhergetrieben schon
    Auf allen Wegen und in fremder Menschen Haus.
    So über Land hin, über See umhergeflohn,
    Folgsam der Weisung, die mir Loxias beschied,
    Komm ich in dein Haus, Göttin, und zu deinem Bild;
    Hier will ich weilen, warten auf des Gerichtes Schluß!
     
    Der Chor tritt auf, zerstreut, suchend.
     
    CHORFÜHRERIN.
    Nur weiter! Dies ist seine Fährte offenbar;
    Nachspürt dem stummen Rate der Verrätrin Spur!
    Ja, wie der Spürhund einem angeschoßnen Reh,
    So wittern, seinem Schweiß und Blut nach, wir ihn aus!
    Mir keucht die Brust von diesen menschenpirschenden Mühn;
    Denn abgetrieben ist der Erde ganz Revier!
    Und über Meer hin setzt ich flügellosen Flugs
    Ihm nach, und nach blieb hinter mir ein segelnd Schiff!
    Jetzt muß er hier gesetzt sich haben irgendwo;
    Der Duft von frischem Menschenblute lacht mich an!
     
    So such ihn, such ihn nur!
    Spürt genau alles durch, daß nicht heimlich noch
    Der Muttermörder entkommt!
     
    Da schau! Da sitzt er wieder unter gutem Schutz!
    Der Göttin Bild dicht umfaßt,
    Will er erwarten seiner Blutschuld Gericht!
     
    Niemals geschieht das! Mutterblut, zur Erde rann's!
    Unwiederrettbares Blut,
    Lebend hinabgeströmt, tot in den toten Staub!
     
    Du sollst es jetzt lebendig abbüßen!
    Ich saug dir aus den Adern das rote Geblüt!
    Satt mich von dir zu schlürfen, lechz ich, blutgen Mißtrunkes satt!
    Abzehr ich dich, den Lebendgen, jag dich so hinab!
    Sollst mir im Jammer abbüßen den Muttermord!
    Sollst schauen dort, wer andrem Menschen mißgetan,
    Frevel geübt an Gott oder Gast,
    Frevel am Elternhaupt –
    Jedweden, wie ihm verdienter Lohn gerichtet ward!
    Denn aller Menschen Richter ist der große Tod,
    Unter der Erde tief!
    Alles erkennt er in des Gedächtnisses Schrift!
     
    ORESTES.
    Ich weiß, in meiner Leiden Übermaß
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