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Die Opferung

Die Opferung

Titel: Die Opferung
Autoren: Graham Masterton
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als nötig.
    »Nein«, sagte ich schließlich. »Es ist alles in Ordnung. Es war dunkel, weiter nichts. Ich konnte bloß nichts sehen.«

2. Das Kapellenfenster
      Wir saßen beim Frühstück in der altmodischen großen Küche zusammen. Der Boden bestand aus paprikaroten unglasierten Fliesen, die lindgrünen Schränke waren von der Art, wie sie in den dreißiger Jahren hochmodern gewesen war. Das flache weiße Spülbecken sah so aus, als habe man es früher einmal für Autopsien benutzt. Durch das Fenster konnte ich den Rest der Turmspitze erkennen, die zu der zerfallenen Kapelle gehörte.
    Danny saß am Tisch, vor sich eine Schale Weetabix. Er baumelte mit den Beinen, und die Sonnenstrahlen ließen die Haare auf seinem Kopf wie eine strahlende Pusteblume wirken.
    Er sah seiner Mutter so sehr ähnlich - große, braune Augen, dünne Arme, dünne Beine. Er sprach auch wie seine Mutter, schlicht und praktisch. Ich hätte von Anfang an wissen sollen, dass ich niemals allzu lange Zeit mit einer schlichten und praktischen Frau zusammenleben konnte. Dafür war ich viel zu sehr Theoretiker - immer bereit, mich mehr auf meine Inspiration zu verlassen statt auf die Vernunft.
    Janie und ich waren uns auf dem Brighton Art College begegnet; ich war im letzten, sie im ersten Jahr gewesen. Sie hatte viel gekichert und ihr Gesicht immer hinter ihren Haaren versteckt, aber sie war so atemberaubend schön, dass ich immer irgendeinen Grund fand, um mit ihr zu reden.
    Drei Jahre später begegneten wir uns an einem Sommerabend auf einer Party in Hastings wieder. An jenem Abend trug sie ein langes, lilaweißes Kleid aus feiner indischer Baumwolle und um ihren Kopf ein lila Tuch. Ich hatte mich augenblicklich und unwiderruflich in sie verliebt. Ich liebte sie noch immer, aber auf eine dumpfe, resignierte Art. Zahllose Wutausbrüche und viele lautstarke Diskussionen hatten mir gezeigt, dass sie und ich einfach nicht zusammenbleiben konnten.
    Ich betrieb in der North Street in Brighton ein Geschäft für Inneneinrichtung. An einem nasskalten Februarmorgen kam sie zu mir in den Laden, um mir zu sagen, dass sie mich verlässt. Wenigstens besaß sie den Mut, es mir ins Gesicht zu sagen. Sie wollte mit jemandem namens Raymond nach Durham umziehen und dort für den Stadtrat arbeiten. Ob ich ein paar Monate lang auf Danny aufpassen könne?
    »Viel Glück«, hatte ich gesagt. »Ich hoffe, du und Raymond werdet unglaublich glücklich miteinander.«
    Die Türglocke hatte geklingelt, dann war sie fort. Draußen hatte ein bärtiger, fürsorglich aussehender Mann in einem regennassen beigen Dufflecoat auf sie gewartet. Der verdammte Raymond.
    Ich verlor in der Folge völlig das Interesse an der Inneneinrichtung. Stattdessen unternahm ich mit Danny ausgedehnte Spaziergänge an der Küste entlang und ignorierte das Telefon. Nach drei Monaten musste ich meine Tapeten und meine Musterbücher verkaufen und mich nach einer Arbeit umsehen -jedoch ohne großen Erfolg, wie sich herausstellen sollte.
    Kurz nach Anfang des Sommers traf ich im King's Head in der Duke Street auf Chris Pert. Chris war einer meiner alten Saufkumpane von der Kunsthochschule, bleiches Gesicht, etwas verschlossen und sonderbar, voll auf dem Zen-Trip und ein fanatischer Träger brauner Kordhosen. Wir spendierten uns abwechselnd einige Runden >Tetley's Bitter< und erzählten uns gegenseitig unser Elend. Seine Mutter war gestorben, woran ich nicht viel ändern konnte. Allerdings schlug ich ihm vor, Madame Tzigane auf dem Brighton Pier aufzusuchen, ihr ein paar Münzen in die Hand zu legen und sie zu fragen, ob er mit seiner Mutter auf der anderen Seite reden könne. Chris konnte mir dagegen sehr helfen. Er war der Stiefneffe von Mr. und Mrs. Bryan Tarrant, den Teppichfliesen-Millionären und Eigentümern des Fortyfoot House auf der
    Isle ol Wight. Chris erwähnte, dass die Tarrants ohne großen finanziellen Aufwand das Haus renovieren und reparieren und den Garten von Unkraut befreien lassen wollten, um es dann zu verkaufen. »Insgesamt aufpolieren« war die Formulierung, die er benutzte. Das hörte sieh genau nach dem ruhigen, zurückgezogenen Job an, den ich suchte. Ich konnte den ganzen Sommer mit Danny verbringen, ohne dabei denken zu müssen.
    Gestern am späten Nachmittag waren wir mit der Fähre von Portsmouth auf der Isle of Wight angekommen, dann bis zum südlichsten Zipfel der Insel, nach Bonchurch, gefahren. Bonchurch war ein Küstendörfchen, das aus einem typisch britischen
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