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Die Ochsentour - Mit BUK auf Deutschland Tour

Titel: Die Ochsentour - Mit BUK auf Deutschland Tour
Autoren: Charles Bukowski
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in höchstem Maße unerträglich. Ich sagte ihm, daß er mich an einen in Butter gerösteten Lemming erinnern würde. Das verschlug ihm die Sprache, und ich legte auf.
    Es war wesentlich lustiger hier in der Wohnung. Ich stand auf und zeigte Carl, wie er sein Bein beim Gehen rausschmiß.
    »Kuck mal, Mann, du marschierst los, und urplötzlich-schwupp! - fliegt das Bein nach außen-wau-ungefähr so, nach draußen! -du selbst merkst das gar nicht. Mensch, Carl, kuck, so-schwupp und zack. Raus fliegt’s!«
    Dann stand Linda Lee auf und zeigte Carl, wie er diesen Beinschlenker machte. Sie hatte es besser drauf als ich. Noch im Hotel haben wir später oft darüber gelacht, Carls würdevolles Gebrechen, wir mochten es, nicht um uns darüber lustig zu machen, sondern als eine neue Entdeckung.
    Dann stand Carl auf mit seiner deutschen Reserviertheit und einem leichten Grinsen.
    »Ungefähr so?« fragte er und ließ sein Bein rausfliegen.

 

 

»Ja, Carl«, sagte ich.
    »Du machst das perfekt«, sagte Linda.
    Er hob das Bein höher und fing an, sich zu drehen.
    »So etwa?«
    »Sehr gut, Carl«, sagte Linda.
    »Stimmt«, sagte ich.
    Carl drehte sich schneller.
    »So etwa?«
    »Phantastisch, Mann«, feuerte ich ihn an.
    »Stark«, sagte Linda.
    Carl drehte sich immer weiter und schneller und schneller. Plötzlich flog seine Brille weg und knallte gegen die Wand. Wir lachten alle, und Carl ging hin und hob sie wieder auf.
    »Gott sei Dank ist sie nicht kaputt«, sagte er, »ich habe nur diese.« Carl hatte eine ganz starke Brille. Bukowski und Bob Dylan und Burroughs und Ginsberg und ein paar andere zu übersetzen hatte seinen Tribut gefordert, aber er sprach nie darüber. Er war nicht mehr weit vom Blindsein entfernt und hatte nicht viel Zeit für seine eigene Schreiberei, er mußte weiter übersetzen, aber er beklagte sich nie.
    Wir tranken noch ein bißchen mehr, und dann war es Zeit für das Taxi. Carl ging mit uns nach draußen, und als wir ins Taxi einstie-gen, fing er wieder an, sich zu drehen, er drehte sich ohne Pause, und als das Taxi losfuhr, schrien und winkten wir ihm zu, und als wir weiter weg waren, drehte er sich immer noch schneller und schneller im Mondschein, hob das eine Bein höher und stieß es über eine Reihe von Eisenstangen, höher als ein Meter, die da an der Bordsteinkante standen...

18
    Andernach, wo ich am 16. 8. 1920 geboren wurde, liegt genau am Rhein, und dort lebte mein Onkel Heinrich, 90 Jahre alt, und wir besuchten ihn also. Wir fanden das Haus und klingelten. Wir hatten ein Hotel am Rhein gekriegt. Nur ein Zimmer, fünf oder sechs Waschbecken, eine Badewanne, aber keine Toilette, die Toilette war unten in der Halle, und dort stand auch was in Englisch. »Bitte nicht zu heftig ziehen.« Egal, wir klingelten jetzt am Hause meines Onkels, und eine ziemlich gewichtige, aber freundlich dreinschauende Frau so um die 85 machte uns auf. Später stellte sich raus, daß es Louise war, Onkel Heinrichs Verhältnis seit 50 Jahren.
    »Tag«, sagte ich, »ich bin Henry und das ist Linda Lee.«
    »Oh«, sagte sie, »kommt doch bitte rein. Heinrich macht ein Nickerchen.«
    »Warte mal«, sagte ich, »dann kommen wir später noch mal vorbei.«
    »Nein, auf keinen Fall«, sagte Louisa, »das würde er mir nie verzeihen. Nehmt doch bitte Platz und wartet.«
    Das machten wir dann auch. Louisa ging die Treppen hoch. Es dauerte nicht lange. Onkel Heinrich kam die Treppe runtergestürzt, voll angezogen, mit geputzten Schuhen, Hosenträgern, allem ... Er kam mit ziemlichem Tempo die Treppe runter; er wäre für 60 durchgegangen, sogar für 58, er war 90. Er stürzte ins Zimmer-
    »HENRY! HENRY! MEIN GOTT! ICH KANN’S EINFACH NICHT FASSEN! HENRY, DU BIST’S! NACH ALL DEN JAHREN? HENRY, DU BIST’S!«
    »Schön, dich zu sehen, Onkel Heinrich!« Wir umarmten uns... »Setzt euch, setzt euch doch hin...«
    »Onkel, das ist Linda Lee, Linda Lee, Onkel Heinrich...«
    »Tag, Tag ... Louisa wird uns gleich was bringen... Nun, wie geht es?« fragte er.
    »Geht gut. So ’ne Art Geschäftsreise, glaube wohl... um Bücher zu verkaufen, und natürlich wollten wir dich besuchen...«
    »Mein Gott, ist das schön, ich hätte nie gedacht, daß ich dich mal Wiedersehen werde... entschuldige mein schlechtes Englisch...« Dann kam eine jüngere Frau aus der Küche rein.
    »Das ist Josephine, meine Schwiegertochter. Mein Sohn ist Chauffeur und er ist im Augenblick mit seinem Chef außerhalb der Stadt unterwegs.«
    Josephine
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