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Die Ochsentour - Mit BUK auf Deutschland Tour

Titel: Die Ochsentour - Mit BUK auf Deutschland Tour
Autoren: Charles Bukowski
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man mir sagte, auch dort gelesen und nur 300 Leute angelockt. Was natürlich nicht heißt, daß ich ein besserer Schriftsteller bin. Es ist alles eine Sache des Massenbedarfs: Billy Graham oder Bob Hope hätten ein Fußballstadion gefüllt.
    Ich ging rein. Der Saal war rauchgeschwängert, man konnte die Rauchschwaden zur Decke hochziehen sehen. Das Publikum war betrunken und auf Trip und nüchtern und verrückt. Es waren alle Plätze besetzt, und die Leute saßen auch noch in den Gängen. Einige waren in den Dachstuhl geklettert. Es war heiß, die Luft war stickig. Wir waren an den äußeren Sitzreihen und versuchten uns nach vorn zu arbeiten. Der Tisch, an dem ich lesen sollte, war ganz weit vorn, grell beleuchtet, umgeben von Fernsehkameras und voll von Mikros.
    Und da war dieses Publikum, all diese Leiber, die mich sehen wollten, die mich hören wollten. Sie warteten auf die Zaubervorstellung, auf das Wunder. Ich fühlte mich elend. Ich wäre lieber auf der Rennbahn gewesen oder zu Hause und hätte was getrunken und Radio gehört oder die Katze gefüttert oder sonstwas gemacht, geschlafen, das Auto vollgetankt, ja sogar einen Termin beim Zahnarzt hätte ich noch vorgezogen. Ich drückte Linda Lees Hand, fast erschrocken. Die Stunde der Wahrheit war gekommen.
    »Carl«, sagte ich. Er stand dicht bei mir.
    »Carl, ich brauche jetzt was zu trinken.«
    Carl, die gute Seele, wußte Bescheid. Genau hinten oberhalb von uns war eine kleine Theke. Carl bestellte etwas durch das Geländer hindurch.
    Die Menge stand geballt, wie ein Tier, wartete.
    Der Alkohol tat gut. Schon das Glas halten tat gut. Ich stand da und trank aus. Dann arbeiteten wir uns durch die Körpermassen durch und wollten nach vorn zur Bühne. Wir kamen nur mühsam vorwärts. Wir mußten uns einfach zwischen Körpern hindurch und über sie hinweg zwängen. Sie standen Schulter an Schulter, Arsch an Arsch. Normalerweise mußte ich vor jeder Lesung immer kotzen; das ging aber hier nicht... Ein paar erkannten mich, und eine Hand wurde ausgestreckt und sie hielt eine Flasche. Ich trank aus jeder Flasche, während ich mich nach unten zur Bühne durchboxte. Als ich näher an die Bühne rankam, nahm mich das Publikum zur Kenntnis.
    »Bukowski! Bukowski!« Ich fing selbst an zu glauben, daß ich Bukowski war. Ich mußte es ja auch. Als ich die Bühne betrat, gab es bei mir einen Ruck. Meine Angst verschwand. Ich setzte mich hin, griff in den Sektkühler und machte eine Flasche von diesem guten deutschen Weißwein auf. Ich steckte mir eine Bidi an. Ich probierte den Wein und holte meine Gedichte und Bücher aus der Mappe.

 

 

Jetzt endlich war ich ruhig. Ich hatte das alles schon 8omal vorher erlebt. Es war in Ordnung. Ich fand das Mikro.
    »Hallo«, sagte ich, »tut gut, wieder hier zu sein.« Ich hatte dafür 54 Jahre gebraucht.
    Ein junger, hagerer Deutscher rannte auf die Bühne und sagte: »Bukowski, du fette Sau, du Schwein, du alter Drecksack, ich has­se dich!«
    Das war immer gut, ich konnte mich entspannen. Es nahm auch die ganze Feierlichkeit raus aus den Gedichten. In Amerika gab es viele wie diesen jungen, hageren Deutschen.
    Ich trank noch ein Glas Wein und schaute ihn an, wie er nicht auf­hörte, mich anzuschreien. Ich hatte schon immer gesagt, wenn du es schaffst, daß sie dich hassen, dann hast du gute Arbeit geleistet. Ich schaute mich in der riesigen Menge um, und da ich auch an meine Haut denken muß, fragte ich sie:
    »Kann mir jemand sagen, wo der nächste Notausgang ist, falls es mal brennen sollte?«
    Ich widmete die Lesung Carl Weissner, ob zu seinem Schaden oder Nutzen würde sich ja rausstellen. Dann schrie jemand:
    »Wo ist deine Freundin?« Und ich antwortete:
    »Linda Lee, steh doch bitte mal auf.« Und sie schnellte hoch, wink­te mit den Armen, alberte rum, schön, mit ihrem rotblonden Haar. Danach fing ich mit dem ersten Gedicht an, der junge, hagere Deutsche stand dabei vor mir und schrie mich an. Etwas später zerrten ihn einige Leute weiter nach hinten, und er schrie von da.
    Ich mußte mit meinen Lästermäulern sanft umspringen. Einmal, in einer Nachtbar, hatte ich auf so eine Beleidigung mit einem: »Schmeißt den Kerl raus!« reagiert. Ich habe es nur so zum Spaß gesagt, hatte dann mit dem nächsten Gedicht weitergemacht, aber später stellte ich fest, daß drei kräftige Herren, allesamt Angestellte des Klubs, den armen Kerl von seinem Sitz gezerrt und nach drau­ßen geschleppt hatten, wo sie ihn in einen Mülleimer
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