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Die Nymphe Eva

Die Nymphe Eva

Titel: Die Nymphe Eva
Autoren: Carter Brown
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mittleren Alters — die lebende Karikatur aller militanten alten
Jungfern, die sich zugunsten verlorener und fragwürdiger Objekte in einen
blutigen Kampf stürzen, den zusammengerollten Schirm fest am Stiel umklammert,
den gebogenen Griff wie einen Angelhaken nach außen gekehrt. Als die
prachtvolle Blondine rückwärts auf sie prallte, stieß die knochige Frau ein
Wutgeheul aus und verpaßte ihr einen heftigen Schubs
in den Rücken. Und im selben Augenblick hakte sich der Schirmgriff fest in den
Rückenausschnitt des Mädchens.
    Die ebenso hilflose wie
wundervolle Blondine schoß wieder nach vorn, und es gab einen scharfen Reißlaut , als der Schirmgriff das dünne Seidenkleid fein
säuberlich in der Mitte auftrennte. Das Mädchen gab ein leises entsetztes
Stöhnen von sich, als sie, angetan mit einem blauseidenen Büstenhalter, dazu
passendem Höschen und einem sportlichen Strumpfhalter, der wie ein Neonlicht
glitzerte, an Polnik vorbei wie ein Geschoß in die
Hotelhalle hinausflog. Währenddessen hastete die alte Jungfer, ihren Schirm wie
eine Kampffahne schwingend, an uns vorbei.
    Ich folgte dem Sergeanten in
den Aufzug und erhaschte einen letzten flüchtigen Blick auf die nunmehr
hysterische Blondine, die sich hinter einem Hotelangestellten zusammenkauerte;
die alte Jungfer bemühte sich, ihren Schirm aufzuspannen, der Himmel wußte,
warum.
    »Lieutenant?« Polniks Stimme klang leicht verlegen, und ausnahmsweise
hegte ich Mitgefühl für ihn.
    »Schwamm drüber!« sagte ich
wohlwollend.
    »Ah, danke, Lieutenant.« Er
strahlte mich einen Augenblick lang an, und dann umwölkte sich sein Gesicht
wieder. »Muß ich noch mal auf den Knopf drücken, wenn der Aufzug steht,
Lieutenant?« murmelte er unbeholfen.
    »Wieso?« sagte ich mit
erstickter Stimme.
    »Ich meine, ich habe auf fünf
gedrückt, als wir einstiegen«, sagte er, »und Sie sagten >Schwamm
drüber<. Aber wenn wir jetzt bei fünf halten, muß ich da wieder auf vier
drücken?«
    »Darüber müssen Sie selbst ins reine kommen«, murmelte ich gehässig.
    Dies beschäftigte ihn eine
Weile, was mir nur recht war.
    Wir schafften es endlich, in
den vierten Stock zu gelangen, und stiegen aus. Polnik ging energisch voran und blieb dann etwa zehn Meter weiter unten im Korridor
stehen.
    »He, Lieutenant? Haben Sie
diese Blonde gesehen — die aus dem Aufzug stieg?«
    »Von Kopf bis zu Fuß«, knurrte
ich.
    »Haben Sie es gesehen?« Er
blinzelte bedächtig und stupste sich dann mit einem dicken Zeigefinger auf die
Wange, dicht neben seiner Nase. »Sie hatte ein Muttermal — genau hier!« Er
schüttelte flüchtig verwundert sein Haupt ob der zahllosen Improvisationen
menschlicher Genetik — oder vielleicht hatte er auch, was wahrscheinlicher war,
einen steifen Hals — und marschierte danach wieder weiter.
    »Hier ist es«, verkündete er
ein paar Sekunden später und hämmerte gegen eine mit der Nummer
fünfhundertachtzehn versehene Tür. »Hier wohnt der Strolch.«
    Die Tür flog plötzlich auf und
ein großer dürrer Mann von Mitte Fünfzig, mit einer hohen, gewölbten Stirn,
überragt von einem Schopf drahtigen grauen Haares, starrte den Sergeanten
mordgierig an.
    »Was, zum Teufel, fällt Ihnen
eigentlich ein?« fragte er in eisigem Ton.
    »Polizei!« knurrte Polnik . »Wir kennen uns bereits, Mandel.« Er wies mit dem
Daumen über die Schulter hinweg auf mich. »Das hier ist Lieutenant Wheeler.« Er
machte eine eindrucksvolle Pause und fügte dann hinzu: »Der Lieutenant möchte
mit Ihnen sprechen, Mandel.«
    »Weiß er nicht, wie er das
anfangen soll?« Mandel blickte mich durch seine Brille mit den quadratischen,
starken Gläsern interessiert an. Auf seinem Gesicht lag ein wohlwollendes
Lächeln.
    »Offensichtlich nicht«,
beantwortete er seine eigene Frage. »Sonst wäre er kaum so einfältig gewesen,
Sie als Dolmetscher anzuheuern. Oder?«
    Polnik legte seine Handfläche gegen
die Brust des Älteren und schob ihn mit einem kräftigen Ruck rückwärts ins
Zimmer. Ich folgte den beiden hinein, und zusammen mit den drei Leuten, die
bereits dasaßen, bildeten wir plötzlich eine Versammlung.
    Ich stieß die Tür hinter mir
mit dem Fuß zu und lehnte mich dann dagegen, während Mandel plötzlich zum
Stillstand kam, als der Sergeant seine Hand zurückzog.
    »Ich werde diese beiden Strolche
hinausbefördern, Herb!« sagte ein großer massiger Bursche mit dünner Stimme,
während er in einer eifrigen explosionsartigen Bewegung aufstand.
    »Schon gut, Marvin«,
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