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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin
Autoren: Colin Falconer
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Peyrolles schmachtete als Gefangene der Inquisition im murus largus. Was den Barbier betraf – eher hätte ich mich in die Hände des Henkers begeben. Also vermochte ich nichts weiter zu tun als die Schmerzen zu ertragen und zu beten – nicht für mich, sondern für das Kind.
    Früh am anderen Morgen trat Raymond in unser Gemach. Er hatte blutunterlaufene Augen und stank nach schalem Wein. Nach einem Blick auf sein Gesicht wusste ich, dass er erraten hatte, was passiert war. Ich hatte das Bedürfnis, ihm zu sagen, er solle Vertrauen haben, brachte jedoch kein Wort über die Lippen. Der Raum war voller Mägde, die mit Wassereimern und Tüchern geschäftig hin und her eilten, während mein Gemahl am Fenster stand, mit einer Miene von solch unbeschreiblicher Traurigkeit, dass ich gemeinsam mit ihm hätte weinen mögen.

BERNARD
    Am folgenden Morgen warteten wir in der Folterkammer des Seigneurs auf unsere Gefangene. Bruder Subillais saß auf einem Stuhl, der aus der Wachstube für ihn hergebracht worden war, und hatte sein verletztes Bein auf einen Schemel gelegt. Ich war zu aufgewühlt, um ruhig stehen zu bleiben, und schritt stattdessen zwischen den Folterinstrumenten auf und ab. Ich wusste genau, dass ich meinen Ordensbruder damit reizte, aber er sagte kein Wort.
    Der Folterknecht wartete mit gelassener Gleichgültigkeit. Ich hatte Erkundungen über ihn eingezogen, einerseits, um meine Neugierde zu befriedigen, andererseits aber auch in der Hoffnung, ihn irgendeiner Unregelmäßigkeit überführen zu können, möge Gott mir verzeihen. Unglücklicherweise hatte er eine Frau, er aß Fleisch, spielte, trank oft bis zum Exzess und wurde daher als guter Christ betrachtet. Er nahm regelmäßig an der Messe teil und galt als treuer Anhänger sowohl der Kirche als auch des Seigneurs.
    Bruder Subillais wurde langsam ungeduldig. Ich vermeinte, eine gewisse Traurigkeit an ihm zu entdecken. Offensichtlich behagte ihm die Aussicht auf das, was wir in wenigen Momenten tun würden, ebenso wenig wie mir. Ich hatte im Fall des Bürgers Maurand den Eindruck gehabt, dass er eine grimmige Befriedigung empfand, doch diesmal war seine Haltung völlig anders.
    Endlich hörten wir Schritte. Der Kerkermeister kam die Stufen herab. Er war allein und blickte uns verzagt an.
    »Eure Exzellenzen sollten mit mir kommen, wenn … wenn es Euren Exzellenzen beliebt«, stammelte er.
    »Was hat das zu bedeuten, Ganach?«
    »Es gibt etwas, was Eure Exzellenzen sich ansehen sollten.« Er verbeugte sich so tief vor uns, dass seine Nase beinahe den Boden berührte, und wirkte so unterwürfig wie ein Hund, der mit einer Tracht Prügel rechnet.
    Wir folgten ihm durch die Korridore des Kerkers bis in den murus largus. Die Falltür zu Madeleines Einzelzelle stand offen. Ich half Bruder Subillais die Stufen hinunter. Madeleine de Peyrolles lag in sich zusammengesunken an der Wand. Ihr Gesicht war kalkweiß, ihr Unterkiefer hing herab, ihre Augen blickten leer.
    »Ich fürchte, sie ist tot«, sagte Ganach.
    »Wie ist das möglich?«, knurrte Bruder Subillais.
    »Vielleicht waren es doch die Unbilden des Kerkers. Selbst Männer haben hier unten noch kaum so lange überlebt wie sie.«
    Ich kniete nieder, um sie zu untersuchen. »Ich kann weder Atem noch Herzschlag feststellen.«
    Bruder Subillais fuhr Ganach an: »Habt Ihr diesem Mädchen etwas angetan?«
    »Ich habe ihr keinen Schaden zugefügt, das schwöre ich, Euer Exzellenz.«
    »Keiner Eurer Wärter hat versucht, sie zu belästigen?«
    Als ob sie in ihrer Verfassung irgendjemandem begehrenswert erscheinen könnte, dachte ich.
    Ganach beteuerte wieder und wieder, sie sei ordnungsgemäß behandelt worden.
    Mein Ordensbruder wirkte wie vom Donner gerührt. Ich hatte ihn noch nie dermaßen fassungslos erlebt. »Sie ist gestorben, ohne die Beichte abgelegt zu haben! Ich habe ihr gegenüber versagt. Ich habe Gott gegenüber versagt!«
    Ich erhob mich. »Was sollen wir tun?«
    »Du musst ihren Leichnam vor den Toren der Stadt verbrennen. Dies ist die einzig mögliche Strafe für einen Häretiker, der nicht abgeschworen hat, sei er nun tot oder lebendig.« Er sah mir direkt in die Augen. »Ihre Seele schmort in der Hölle, und wir sind gescheitert. Wenn sie gestern nicht widerrufen hätte, wäre sie inzwischen wieder mit der Kirche ausgesöhnt.«
    Er warf mir einen Blick zu, als trüge ich die Schuld an dem Unglück. Dann erklomm er mit Ganachs Hilfe die Stufen und verschwand.
    Ich starrte Madeleine einfach nur
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