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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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noch wie ein Schutzschild vor Loki stand, sein Flammenschwert. Ein grässliches Gurgeln ertönte, als die Klinge auf ihr Opfer herabfuhr. Dann fiel ein toter Körper in den Morast.
    Loki wagte es, hinter Surtur hervorzutreten. Vor ihm auf dem Boden lag Freyr, der Gott der Pflanzen. Er war der erste Gott, der gefallen war. Auch wenn Freyrs schönes Gesicht durch eine schreckliche Wunde entstellt war, erkannte Loki immer noch die Ähnlichkeit zwischen ihm und seiner Zwillingsschwester, der Frühlingsgöttin Freyja.
    »Wo ist Freyrs goldener Eber?«, herrschte Loki Surtur an, der zufrieden auf den erschlagenen Gott hinabsah.
    »Hä?«
    »Der Eber, Freyrs Reittier?«
    Der Riese verstand nicht.
    »Ich brauche ein Reittier, du Kohlenkopf.«
    Surtur aber reagierte nicht und stapfte auf einen Geisterkrieger zu, der mit dem Rücken zu ihm stand und gerade einem Troll die Keule aus der Hand geschlagen hatte.
    Da sah Loki Gullinborsti im Gedränge aufleuchten.Die goldenen Borsten des Ebers erhellten das Dämmerlicht wie eine Laterne. Loki fing das göttliche Tier ein und schwang sich auf seinen Rücken. Wo blieb Jörmungand, wo blieb Fenrir?
    Ein Schrei gellte über das Wigridfeld. Ein Schrei, der den Lärm des Kampfes übertönte, so hell und klagend, dass Loki kurz innehielt.
    Aus dem Wolkenmeer über ihm raste ein kleiner Streitwagen auf das Schlachtfeld zu. Freyja hatte aus der Luft den Körper ihres Zwillingsbruders entdeckt.
    Der Wind zerrte an ihrem schwarzen Haar, ihre Augen glühten. In der linken Faust hielt sie die Zügel der pferdegroßen Katzen, die ihren Wagen zogen, in der rechten schwang sie ein Schwert. Die Luft unter ihren Rädern schien zu brennen, während Freyja auf den Boden zuraste. Dann setzte sie neben dem gefallenen Gott auf.
    Freyja sprang vom Wagen und kniete neben ihrem Bruder nieder. Sie zog seinen Kopf auf ihren Schoß und beugte sich über ihn.
    »Wer hat das getan? Wer hat dir das angetan?«
    Tränen liefen über ihre Wangen und tropften auf das entstellte Gesicht. Da schlug Freyr noch einmal die Augen auf.
    »Surtur!«, flüsterte er mit größter Anstrengung, dann fiel sein Kopf zur Seite.
    Um Freyja herum tobte der Kampf, Füße trampelten an ihr vorbei, Waffen fielen zu Boden, Krieger stürzten, aber sie bemerkte es nicht. Versunken blickte sie auf das Gesicht ihres toten Bruders und wiegte ihn in ihren Armen.
    Irgendwann legte sie Freyrs Haupt wieder auf den Boden und stand auf. Sie zog ihr Schwert aus dem Schlamm und wischte es an ihrem Kampfrock sauber. Dann drängte sie sich mit großen Schritten zwischen den Kämpfern hindurch. Ihre Augen waren starr auf die baumgroße glühende Gestalt in der Mitte des Wigridfeldes gerichtet.
    Freyja schlug sich ihren Weg mit dem Schwert frei. Ohne den Kopf auch nur einmal nach links oder rechts zu drehen, hackte und stach sie auf jeden ein, der nicht augenblicklich vor ihr zurückwich.
    Fast hatte sie ihr Ziel erreicht. Der Feuerriese war von drei Geisterkriegern umgeben, die von allen Seiten auf ihn eindrangen, aber Surtur schwang sein Flammenschwert wie ein Lasso um sich herum.
    Freyja blieb stehen, dachte an ihren Zwillingsbruder und richtete das Schwert gegen den Riesen.
    »Surtur!!!«
    Fenrir hatte den Rand des Schlachtfeldes schon beinahe erreicht, als der Himmel aufriss und das Götterheer daraus hervorbrach.
    Einen Moment blieb er stehen und überlegte, ob er zurückkehren und Odin gleich töten sollte. Dann aber setzte er seinen Weg fort und rannte auf den Wald Glesnir zu. Leichtfüßig setzte er über Steine und Stämme hinweg und rannte immer weiter Richtung Osten. Als Fenrir das Rauschen eines gewaltigen Stromes hörte, sträubte sich sein Fell. Es war nicht mehr weit. Hier würde sein Rachezug beginnen.

    Der Fluss war so reißend, dass er ganze Baumstämmewie kleine Äste mit sich fortzog. Fenrir schätzte die Entfernung zwischen den beiden Ufern. Es war zu weit, er konnte nicht hinüberspringen. Er ging etwas zurück, duckte sich, nahm Anlauf und warf sich dann mitten hinein in den Fluss. Die Strömung riss ihn sofort mit sich. Er paddelte und ruderte, aber immer wieder zogen ihn Strudel unter Wasser. Fenrir spürte, wie die Luft aus seinen Lungen entwich. Wasser drang in Nase und Ohren. Die Kälte machte ihn so müde, und Fenrir ließ sich einfach treiben. Der Wolf in ihm war bereit zu sterben. Aber Fenrir war mehr als dieser Wolf. Er war kein Tier. Er war ein Dämon. Seine magischen Kräfte, all das Schlechte in ihm bündelte sich und
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