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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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unter dem Schnee heraus und zerfetzte sie.
    Zwei Feuerriesen betraten einen heiligen Wald. Die Kraft des Ortes war so groß, dass sie zunächst einfach stehen blieben, dann aber begann der Stärkere von beiden mit seiner flammenden Axt auf die uralten Stämme einzuschlagen. Er lachte und grunzte, als das Holz splitterte und die Bäume in Flammen aufgingen. Wie im Rausch schlug er noch auf weitere Bäume ein.
    »Heiliges Holz«, schrie er, »heiliges Holz brennt wie jedes andere.«
    Der Speichel tropfte aus seinem aufgerissenen Maul.
    Der andere Feuerriese sah voller Neid, dass sein Gefährtedas Heiligtum der Götter ganz alleine entweihte. Von hinten schlich er sich an ihn heran, packte ihn mit der einen Hand am Kinn und schnitt ihm mit seinem Schwert die Kehle durch. Dann entriss er dem Toten die Flammenaxt und stürmte auf den größten aller Bäume zu.
    Der Stamm war so dick, dass hundert Männer ihn nicht umspannen konnten, und seine Rinde sah aus wie schwarzer Fels. Die Krone des Riesenbaums aber war zur Hälfte herabgebrochen. Der Feuerriese betrachtete die verbliebenen Äste. Immer noch wirkten sie wie ein eigener Wald. Es war Leben in ihnen. Weder Kälte noch die Hitze des Weltenbrands hatten ihnen etwas anhaben können. Die Blätter waren grün und schwankten im heißen Wind, der Qualm und Asche in den Wald trug. Und der Riese spürte, welche Magie von diesem Baum ausging. Ein Gefühl von Frieden und Ruhe durchströmte ihn. Fast wollte er sich setzen und den glühenden Kopf an die kalte Rinde lehnen, doch dann spannten sich die Muskeln an seinen unförmigen Armen, und seine gewaltigen Kiefer malten aufeinander. Er schwang die Flammenaxt hoch über seinen Kopf und ließ sie auf den Stamm niederfahren.
    Yggdrasil brannte!
    Asgard brannte. Und die Hitze der Flammenwand, die sich immer weiter durch das Reich der Götter fraß, hatte inzwischen den gefrorenen Boden aufgetaut. Alle Felder, alle Wege und Pfade hatten sich in ein Meer aus Schlamm verwandelt und hinderten das Dunkle Heer am Fortkommen.Die Reif- und Feuerriesen waren so schwer, dass sie mit jedem Schritt tief in den Morast einsanken und den Boden immer weiter aufwühlten.
    Das Wigridfeld lag verlassen, und Dampf stieg aus der warmen Erde auf. Mitten im Dunst aber bewegte sich etwas. Groß, grauenhaft und zottig. Ein riesiges Tier, das mit jeder Minute größer und größer zu werden schien. Langsam legte das Tier den Kopf in den Nacken und stieß ein lang gezogenes Geheul aus. Der Ruf des Dämons, der Ruf des Fenriswolfs.

    Sofort näherten sich aus allen Himmelsrichtungen die Krieger des Dunklen Heers. Sie folgten seiner Stimme und sammelten sich um Loki, um ihn, den schönen Riesen mit dem Gesicht eines Gottes. Loki stand neben dem gigantischen Wolf und hielt sein Schwert in die Höhe, während sich die Kreaturen der Nacht hinter ihm aufstellten.Zu seiner Rechten kroch die Schlange Jörmungand heran. Endlos und schwarz, wie eine lebendige Mauer.
    Langsam füllte sich das Wigridfeld mit den Feinden der Götter.
    Reifriesen, Bergriesen, Feuerriesen, Zwerge, Trolle, Gnome – und alle Geschöpfe Niflheims sammelten sich um ihren Anführer Loki und warteten. Sie warteten, aber nichts geschah. Sie standen im Schlamm und starrten auf die gegenüberliegende Seite des Schlachtfeldes.
    »Warum marschieren wir nicht nach Walhall und zerren sie aus ihren Löchern?« Der Fenriswolf umkreiste Loki, und seine Augen waren nur noch Schlitze.
    »Weil Walhall auf einem Hügel steht. In der Ebene können wir sie schneller besiegen.«
    »Ich bin nicht hier, Vater, um in einer Schlacht zu kämpfen wie das Menschenpack. Ich kämpfe auch nicht Seite an Seite mit diesem Dreck, den du da um dich versammelt hast.« Der Wolf hatte jetzt die Ohren angelegt, und bei jedem Wort zog er die Lefzen so hoch, dass Loki seine Zähne sehen konnte. »Vielleicht sollten sich unsere Wege hier trennen. Ich gehe nach Walhall und töte Odin.«
    Loki umfasste das Schwert fester und richtete es auf seinen Sohn.
    »Du bleibst, wo du bist.«
    Fenrir aber legte nur den Kopf schief. »Wenn ich zurückkomme und du bist immer noch hier, dann töte ich auch dich. Leb wohl, Loki.«
    Mit leichten Schritten trabte der Wolf über das Feld, als plötzlich Wind aufkam und die Dunstschwaden vertrieb.Der Wind wurde zu einem Sturm und glich bald einem Orkan. Gewaltige Wolkenmassen ballten sich über dem Wigridfeld zusammen und hoben sich schwarz gegen den orange glühenden Himmel ab.
    »Loki«, brüllte
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