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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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freigelassen, als sie das Ende kommen sah?
    Der beißende Qualm der brennenden Welten nahm Odinden Atem. Selbst wenn sie das hier überstehen sollten, was war dann noch übrig von ihrer Schöpfung? Konnte es überhaupt ein neues Asgard geben?
    Ein Feuerriese stürmte auf Odin zu, aber bevor es zum Gefecht kam, fällte Odin ihn mit einem Blitz.
    Einen hatte er getötet, da stürzten schon drei neue Flammenkrieger auf ihn zu. Sie waren so viele, sie kämpften mit solchem Hass. Odin hob seinen Speer und wehrte den ersten Angreifer ab, Thor eilte ihm zu Hilfe und streckte einen weiteren mit Mjöllnir nieder, den dritten tötete er mit seinen bloßen Händen.
    Der Sturm, der über das Wigridfeld tobte, hatte an Stärke zugenommen. Es war schwer, die Augen offen zu halten, denn Asche und Funken wirbelten durch die Luft.
    In das Heulen des Orkans mischte sich jetzt noch ein anderes Geräusch. Ein Johlen, ein Schreien, und Odin erkannte die Stimmen der Walküren. Endlich! Er blickte zum Himmel und sah, wie die Wolken sich teilten und die perlgrauen Pferde daraus hervorbrachen. Die Reiterinnen schienen mit ihnen verwachsen. Blitz und Donner begleiteten sie. Und im zuckenden Licht schimmerten die Waffen der Walküren silbern und kalt. Odin wusste, was nun passieren würde. Sie würden wie ein Keil in die Masse des dunklen Heers fahren, sie würden sie auseinandersprengen, niedertrampeln und dann mit gewaltigen Schwertstreichen vernichten.
    Bald hatten sie den Boden erreicht, und Odin warf Heimdall, der in seiner Nähe kämpfte, einen schnellen Blick zu. Auch er hatte die Sturmreiterinnen gesehen, und unendliche Erleichterung lag auf seinem Gesicht.
    Dann übertönte ein anderes Geräusch den Orkan. Ein Sirren, wie von einem Hornissenschwarm. Die Feuerriesen schickten dem Walkürenheer brennende Pfeile entgegen. Der Pfeilhagel schlug auf Reiterinnen und Pferde ein und bohrte sich durch Brustpanzer und Helme. Odin musste mitansehen, wie seine Töchter unter dem Jubel des dunklen Haufens wie brennende Schwäne vom Himmel stürzten.
    Nicht eine Einzige überlebte.
    Odin und Thor standen nebeneinander und blickten auf die Toten. Wie hatte das sein können? So einfach, so schnell?
    Der leichte Sieg über die Sturmreiterinnen hatte in den Kriegern Niflheims frische Kräfte geweckt, und sie trieben die restlichen Kämpfer der Götter wie eine Schafherde zusammen.
    Plötzlich wandte Thor sich ab. Es war, als würde ihn eine unhörbare Stimme zu sich rufen. Er ging, und als Odin ihm nachblickte, sah er sie: Jörmungand, die Midgardschlange.
    Jetzt war es also so weit. Der letzte Kampf zwischen Thor und der Weltenfeindin.
    »Endlich. Du und ich.« Thor hörte die Stimme in seinem Kopf. Genau so, wie er sie damals gehört hatte, im Eisenwald, als er der Schlange zum ersten Mal begegnet war.
    »Jetzt werde ich dich töten. Darauf habe ich schon so lange gewartet.«
    Thor stand der Schlange genau gegenüber. Ihr Körper hatte sich aufgebäumt und überragte Thor nun wie einriesiger schwarzer Turm. Ihr Haupt stand weit über ihm in der Luft, und ihre schwarzen Augen fixierten ihn. Ganz ruhig. Auch Thor war ruhig. So ruhig, wie er schon lange nicht mehr gewesen war. Er war froh, dass es jetzt zu Ende gehen würde. Wie auch immer. Aber einer von ihnen würde diesen Kampf nicht überleben, und dann würde es zerschnitten sein, das Band des Schicksals, das ihn an dieses Geschöpf fesselte.
    Thor wollte nicht länger warten. Er zog seine Eisenhandschuhe noch einmal fester über seine Hände, dann schwang er Mjöllnir weit über seinen Kopf und schleuderte ihn gegen Jörmungand. Der Donnerhammer flog so schnell durch die Luft, dass die Schlange nicht mehr ausweichen konnte. Mit einem knirschenden Geräusch bohrte er sich in die Schädeldecke des Untiers.
    Jörmungand schwankte, fing sich wieder, und noch während der Hammer in Thors Hand zurückkehrte, öffnete sie ihren Schlund und spie eine Giftwolke gegen Thor.
    Der Gestank war unerträglich. Thor versuchte, nicht zu atmen. Er nahm eine Hand vor Mund und Nase, aber die Dämpfe fraßen sich durch seine Haut. Er spürte ein Brennen in der Kehle, in seinem Brustkorb. Ein Brennen, als würde ihn ein Feuer von innen verzehren. Schnell hob er den Hammer und schickte ihn ein zweites Mal gegen Jörmungand aus.
    Wieder fand Mjöllnir sein Ziel. Diesmal zertrümmerte er ein weiteres Stück der Schädelplatte. Giftiges Blut spritzte aus dem Kopf der Schlange und bildete eine grüne Lache um ihren Leib.
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