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Die Nordischen Sagen

Die Nordischen Sagen

Titel: Die Nordischen Sagen
Autoren: Katharina Neuschaefer
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gehen?
    Rechts von sich sah Odin, wie Thor zwei Angreifer gleichzeitig niederstreckte. Einen Zwerg erwürgte er mit der linken Hand, während er mit der rechten seinen Donnerhammer gegen einen Reifriesen schleuderte. Seine nackte Brust war über und über mit Blut befleckt, und die schwarzen Runen darauf waren beinahe nicht mehr zu erkennen.
    Thor wütete. Wenn er jemals den Beinamen »Riesentöter« verdient hatte, dann heute. Dennoch wusste Odin, dass der wahre Gegner seinem ältesten Sohn noch bevorstand. In der Prophezeiung hieß es, dass die Midgardschlange und Thor auf dem Wigridfeld zum dritten und letzten Mal aufeinandertreffen würden.
    Während er einen Blitz in einen Haufen beißender Zwerge schleuderte, hetzte Odins Auge wieder über das Schlachtfeld. Sie waren nicht da. Weder die Midgardschlange noch der Feind, den das Schicksal für ihn selbst bestimmt hatte, den klügsten, den boshaftesten, den stärksten von allen: Fenrir, den Weltenwolf.
    Etwas war hinter ihm, er konnte es hecheln hören. Der Göttervater wirbelte herum und blickte in vier glühend rote Augen. Garm, der Höllenhund, jagte direkt auf ihn zu. Odin griff nach Gungnir, aber sein Speer steckte noch im Leib des Feuerriesen, den er gerade überwältigt hatte.
    Schon setzte Garm zum Sprung an, da warf sich Tyr vor Odin. Der riesenhafte schwarze Hund stürzte sich auf den einarmigen Kriegsgott und schleifte ihn mit sich fort. Odin sah noch, wie Tyrs Hand sich um die Kehle der Bestie legte, dann waren sie im Schlachtgetümmel verschwunden.
    Fenrir brauchte nicht mehr leise zu sein. Das Geräusch seiner Pfoten hallte durch die leeren Säle von Odins Burg Gladsheim.
    Der Wolf hob die Nase und witterte. Er hatte keine Eile. Odins Gemahlin konnte ihm nicht entkommen. Es war vollkommen egal, wo sie sich versteckte oder ob sie davonlief. Er würde ihre Spur immer finden.
    Fenrir genoss diesen Moment. Sein Körper war inzwischen auf die siebenfache Größe eines normalen Wolfes angewachsen. Der Dämon in ihm wurde immer mächtiger. Jetzt spürte er sogar das Feuer in sich lodern. Das war die Magie Ragnaröks, die Magie des Schicksals.
    Fenrir hatte den Thronsaal erreicht. Er stieß die Tür auf und sah sie. Frigg. Bleich, aber stolz stand sie am anderen Ende der Halle und sah ihm entgegen.
    »Ich habe gewusst, dass du kommst, Dämon.«
    Fenrir leckte sich langsam über die Schnauze.
    »So? Ach richtig. Du hast ja die Gabe, nicht wahr?«
    »Ihr werdet nicht siegen.«
    »Da muss ich dir leider widersprechen, Herrin.«
    Mit langsamen, geschmeidigen Bewegungen kam Fenrir näher. »Odin wird deinem Sohn Balder sehr schnell in die Unterwelt folgen. Und vielleicht wird er es sogar gerne tun. Es ist nämlich so, dass alle deine Kinder ...«
    Aber bevor Fenrir den Satz beenden konnte, zog Frigg einen Dolch aus ihrem Gewand und stieß ihn sich ins Herz. Sterbend sah sie den Dämon noch einmal an und lächelte.
    »Odins Gemahlin wirst du nicht betteln sehen. Ich fürchte den Tod nicht, denn gleich werde ich mit meinen Kindern vereint sein. Fahr zu Hel, Fenrir!«
    Der Dämon blieb stehen. Er war wütend, denn tatsächlich hatte er gehofft, Frigg würde etwas länger Widerstand leisten, etwas länger leiden. Das wäre Genugtuung gewesen. Rache für das, was Odin ihm angetan hatte. Niemand legte einen Dämon an die Leine wie einen Hund.
    Fenrir knurrte, und kleine Flammen schlugen aus seinem Rachen. Er versuchte es noch einmal. Diesmal war es eine richtige Stichflamme. Tatsächlich, er konnte jetzt sogar Feuer speien. Fenrir rannte durch den leeren Palast. Er musste schnell zurück zum Wigridfeld. Es wurde Zeit, dass er Odin tötete. Der Wolf streckte sich und spürte, wie seine Knochen knackten. Er wuchs weiter.

    Das Kriegsglück hatte die Asen verlassen. Sie, die selbst so viele Male in die Schlachten der Menschen eingegriffen, die so oft über Sieg und Niederlage entschieden hatten, manchmal nur aus einer Laune heraus, taumelten nun der Niederlage entgegen.
    Fast alle Götter waren gefallen. Götter und Göttinnen. Der Meeresgott Njörd lag blutend zu Odins Füßen, gleich daneben die Berggöttin Skadi. Tyr und Garm hatten sich gegenseitig ausgelöscht. Noch ineinander verkeilt lagen sie auf dem Schlachtfeld. Die Göttin Idun hatte ein Pfeil getötet. Von hinten, sodass sie mit dem Gesicht in den Schlamm gestürzt war.
    Odin hatte Freyja aus den Augen verloren. Nur ihre Katzen hatte er über das Feld jagen sehen, ohne Geschirr, ohne Wagen. Hatte sie sie
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