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Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Titel: Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler
Autoren: Gerd Scherm
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unförmiger Schatten, aus dem eine extrem lange Nase herausragte.
    »Vielleicht jemand, der Angst hat«, mutmaßte eine zweite verhüllte Gestalt.
    »Könntet ihr bitte mit dem Philosophieren aufhören und eure verdammte Arbeit machen. Los jetzt!«, befahl eine dritte Stimme in der Dunkelheit.
    Das Gitter gab endlich seinen Widerstand gegen die numerische Übermacht von zwei Brecheisen auf und wich knirschend der Gewalt.
    »Geht doch, Barsil«, triumphierte ein Schemen.
    »Keine Namen, Mumal, du Idiot«, raunte der als Barsil Bezeichnete.
    »Es hört uns doch sowieso keiner«, beschwichtigte die Nase.
    »Aber ER könnte uns hören, Mot; es ist schließlich sein Tempel.«
    »Dann hoffen wir nur, dass er gerade nicht zu Hause ist. Ich könnte mir vorstellen, dass ihn unser Besuch nicht sehr erfreut.«
    »Die Priester kommen uns sicher nicht in die Quere, die schlafen in ihren Quartieren ihren Rausch aus. So einen wirkungsvollen Trunk hat denen vor mir noch keiner spendiert«, sagte Barsil stolz.
    Barsil galt im Stamm der Tajarim als der Zwielichtigste, aber auch als einer der Reichsten, wobei Letzteres mit Ersterem in unmittelbarem Zusammenhang stand. Barsil war von Jugend an erfolgreicher Verkäufer von Gebrauchtwaren, wobei die Vorbesitzer sich meist nicht freiwillig von ihrem Eigentum getrennt hatten. Und so mancher hatte den Trennungsschmerz nicht überlebt.
    Meist arbeitete Barsil aus Eigeninitiative, doch diesmal war er im Auftrag unterwegs. Ibiranu IV., Herrscher von Ugarit, bezahlte ihn für den Einbruch in den Tempel des Mot in Byblos, und Barsil durfte die Beute sogar behalten. Ibiranu ging es lediglich darum, in dem nördlich gelegenen, konkurrierenden Stadtstaat Unruhe zu stiften. Möglichst viel Unruhe.
    Daraufhin hatte Barsil den Steinbrucharbeiter Mumal und den Ochsentreiber Almak engagiert, auf dass sie ihm bei dem nächtlichen Einbruch halfen. Die beiden waren kräftig genug, um Hindernisse aus dem Weg zu räumen, und dumm genug, um garantiert nicht zu verstehen, worum es eigentlich ging.
    Die drei Eindringlinge schlüpften durch das nunmehr entgitterte Fenster und landeten in einem Raum, der ganz offenbar als Rumpelkammer diente. Dem für diesen Raum zuständigen Priester war das Wort ›Ordnung‹ mit Sicherheit noch nie begegnet. Kultgegenstände wie Kelche, Schalen und Tabletts wetteiferten mit abgebrannten Fackeln, blutigen Stofffetzen und den Schädeln diverser Tiere um den begrenzten Platz auf dem Fußboden.
    Im Licht des halben Mondes balancierten die Einbrecher, vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, durch das Chaos zur Tür, von der sie hofften, dass sie zum Tempel führen würde.
    Der große, muskulöse Mumal erreichte sie als Erster und öffnete sie mit einem kräftigen Ruck. Dann schlüpfte er durch die Tür, und die beiden anderen folgten ihm.
    Im großen Tempel des Mot zu Byblos glühten in dreizehn bronzenen Dreifüßen Tag und Nacht die Kohlefeuer. Zu Ehren von Mot, dem großen Verschlinger, der jedes Jahr nach der Ernte den mächtigen Gott Baal tötete und in die Unterwelt verbannte. Mot, der Regent der unfruchtbaren Zeit. Mot, dessen Name in allen Sprachen der Welt Tod bedeutete.
    Zu seinem Leidwesen wurde Mot aber regelmäßig im Frühling von Astarte, der Gemahlin von Baal, besiegt und seinerseits in die Unterwelt geschickt. Und so wechselten sich Baal und Mot Jahr für Jahr in der Herrschaft über Welt und Unterwelt ab.
    Kein vernünftiger Mensch hätte es gewagt, einem solchen Gott etwas zu stehlen, noch dazu ein heiliges Relikt. Doch Barsil war kein vernünftiger Mensch, er war ein Dieb aus Leidenschaft. Dabei hatte er es schon lange nicht mehr nötig zu stehlen, doch er konnte einfach nicht damit aufhören. Je riskanter ein illegales Unternehmen war, desto größere Befriedigung empfand Barsil.
    Doch auch wenn er kein Risiko scheute, so war er keineswegs ein Trottel. Vorsichtig näherte sich Barsil dem Altar und bedeutete seinen Helfern, ihm zu folgen. Immer wieder blickten sich die drei Tajarim um, ob nicht einer der Priester auftauchen würde. Der gespendete Schlummertrunk hatte seine Wirkung jedoch nicht verfehlt, keiner störte sie. Am Altar angelangt, atmete Barsil tief durch, bevor er furchtsam die Hände nach dem heiligsten Artefakt des Gottes Mot ausstreckte. Aber kurz bevor seine Finger den lebensgroßen, aus einem einzigen Rubin gefertigten Menschenschädel erreichten, zog Barsil sie wieder zurück. Stattdessen nahm er Almak den Sack ab und forderte Mumal
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