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Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Titel: Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler
Autoren: Gerd Scherm
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den Radius seiner göttlichen Macht doch erheblich ein. Überlieferungen sprechen davon, dass er nur fünfzig Schafe weit gewaltig wirken konnte, die weiter entfernten Schafe aber willig folgten.
    Auch soll GON immer wieder Blitze eingesetzt haben, um Menschen zu disziplinieren, die seinen Tajarim Böses wollten. Dies führte selbst in größerer Entfernung von den Eingeäscherten zu spontanen Konfessionswechseln bei den Beobachtern.
    Sein Volk baute dem kleinen Gott zum Dank einen hölzernen Schrein, auf dass er nun immer bei ihnen lebe. So konnten sie sich als Nomaden bei ihren Reisen seiner Gegenwart stets sicher sein.
    Die Schrift sagt weiter, dass die Tajarim ein sorgenfreies Leben in Byblos führten und deshalb im Glauben an GON immer mehr nachließen. Aber der Gott wusste um die Trägheit und die Gedankenlosigkeit der Menschen und beschloss, sie nicht zu bestrafen. Nicht sehr jedenfalls, denn strafende Götter wie Jahwe, Baal und Seth gab es damals mehr als genug.
    GON, der Gott der tausend Gestalten in kleiner Form, hatte nämlich schon vor langer Zeit, als er noch einen Namen besaß, aufgegeben, einen einzelnen Stamm als auserwähltes Volk hervorzuheben. Er wollte nicht mehr, dass Menschen sich für etwas Besseres hielten und dann in seinem Namen Reiche gründeten und gegen andere Reiche mit anderen Göttern in den Krieg zogen. Auch prächtige Tempelbauten und jubilierende Knabenchöre erfreuten ihn nicht.
    Der kleine Gott hatte sich entschieden, sich um einzelne, scheinbar unbedeutende Wesen zu kümmern. Er wollte fortan ein Gott sein, den man nicht nur anrief, sondern mit dem man auch wirklich reden konnte.
    Und von Weltuntergangsszenarien wie Armageddon, Ragnarök und Apokalypse hielt er äußerst wenig, im Prinzip gar nichts.
     

Links und rechts vom Weltenbaum
     
    Ratatöskr war ein Eichhörnchen und ziemlich sauer. Den ganzen Tag hatte er damit verbracht, den Weltenbaum hinauf und hinunter zu rennen. Ständig musste er Botschaften überbringen zwischen dem Adler Hräswelgr in der Krone und dem Drachen Nidhöggr, der in den Wurzeln hauste.
    Adler und Drache waren schon seit langer, langer Zeit zerstritten und sprachen deshalb kein Wort mehr miteinander. Da es aber immer noch viele Dinge zu bereden gab, die den Baum, sprich die Welt zwischen ihnen betrafen, schickten sie das Eichhörnchen als Boten zwischen sich hin und her.
    Anfangs versuchte Ratatöskr die bösen Worte der Kontrahenten zu mildern und gar zu beschönigen, doch schließlich merkte er, wie durch seine Schönfärberei der Ton zwischen den beiden immer versöhnlicher wurde. Ratatöskr erkannte, dass sein Job auf dem Spiel stand, und er beschloss zu handeln: Durch sinnvolles Umformulieren der Botschaften hassten sich inzwischen Hräswelgr und Nidhöggr wieder bis aufs Blut. Und wie die beiden hassen konnten! Immerhin bedeuteten ihre Namen »Leichenverschlinger« und »Neidhacker«.
    An manchen Tagen knisterte ihre gegenseitige Abneigung den ganzen Weltenbaum entlang und führte zu schrecklichen Blitzentladungen in Midgard, in Mittelerde, der Menschenwelt. Doch der zunehmende Hass führte auch zu einer enormen Beschleunigung der zu überbringenden Botschaften, und das bedeutete Stress für Ratatöskr. Nun saß er erschöpft und ziemlich schlecht gelaunt auf einem Ast in der Zone des Baumes, die man als Midgard bezeichnete.
     
    Der Wikinger Erik, genannt der Falkenäugige, langweilte sich. Weit und breit ließ sich niemand blicken, den er zum Kampf herausfordern konnte. Da kam ihm dieses vorwitzige Eichhörnchen gerade recht. Schnell hob er einen Stein auf, wog ihn sorgfältig in der Hand und warf ihn nach dem Tier. Ein wirklich prächtiger Wurf! Der Stein senkte sich in einer wunderbaren Flugkurve genau auf das Eichhörnchen nieder. Doch dieses fing den Stein geschickt auf und schleuderte ihn zurück. Mit zehnfacher Geschwindigkeit raste der Stein auf Erik zu.
    Erik der Falkenäugige schrie schmerzerfüllt auf. Ab heute würde man ihn Erik den Einäugigen nennen.
    Ratatöskr ballte seine kleine Faust und rief: »Jau! Volltreffer!«
    Dann zwirbelte er triumphierend die Ohrhaarbüschel und öffnete mit den Nagezähnen genüsslich eine Nuss. Der Tag war doch wesentlich besser, als er befürchtet hatte.
    Über Ratatöskr erhob sich ein Rabe, der alles beobachtet hatte, mit mächtigen Schwingenschlägen in die Luft.
     
    *
     
    Seshmosis wandelte auf Wolke sieben. Natürlich nur im übertragenen Sinn, seine Füße bewegten sich ganz normal,
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