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Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler

Titel: Die Nomadengott-Saga 03 - Die Weltenbaumler
Autoren: Gerd Scherm
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Blutsbrüderschaft mit ihm geschlossen hatte.
    Zu allem Übel besagte die Prophezeiung, dass der Unsympath Loki und seine furchtbare Brut eines Tages Ragnarök, das Schicksal der Götter, auslösen und gegen sie alle kämpfen würden.
    Doch noch war es nicht so weit, und Odin, Hönir und Loki zogen in gelöster Stimmung über Land; in einer Stimmung, der man in späteren Jahren am sogenannten Vatertag wieder begegnen würde: ausgelassen, laut und ziemlich albern. So wanderten die drei einen quirligen, schnell fließenden Gebirgsfluss entlang und erreichten schließlich einen Wasserfall. Hönir setzte das Fass mit Met, das er mit sich schleppte, ab und klemmte es zwischen Steine, damit es nicht davonrollen konnte. Dann füllte er die Trinkhörner mit dem berauschenden Getränk und reichte zwei davon seinen Gefährten, während er sein eigenes in einem einzigen Zug leerte. Mit jedem Horn, das sie tranken, stieg die Stimmung der Wanderer.
    Auf einmal blinzelte Odin heftig mit seinem einzigen verbliebenen göttlichen, aber schon ziemlich getrübten Auge, rülpste und deutete auf den Wasserfall: »Wenn das nicht Andwari ist!«
    Im Wasserfall, der über einige große Steine in ein flaches Flussbett stürzte, schwamm und sprang ein stattlicher Hecht. An ihm war nichts Ungewöhnliches, außer vielleicht seiner beachtlichen Größe. Doch dieser prächtige Fisch war in Wirklichkeit der Zwerg Andwari in seiner Lieblingsfreizeitgestalt. Kaum jemand weiß, dass Zwerge von Haus aus Gestaltwandler sind, und sie geben sich auch alle Mühe, diese Fähigkeit nicht bekannt werden zu lassen. Man sagt, so mancher hätte sein Wissen über diese Fähigkeit der Zwerge mit dem Leben bezahlt.
    Jeder Zwerg kann sich nämlich mühelos in ein anderes Wesen verwandeln – in einen Menschen oder in einen Drachen oder eben in einen Hecht. Zwerge, die dies nicht können, sind keine Zwerge, sondern Wichtel, oder sie tun nur so, als wären sie Zwerge, und sind in Wirklichkeit kleinwüchsige, militante Goldschürfer, die mit Helm auf dem Kopf und Doppelaxt in der Hand nach Bier grölen und für viel Geld fantastische, aber völlig erlogene Bücher über sich und ihre angeblichen Heldentaten schreiben lassen.
    Der ebenfalls stark angetrunkene Loki ergriff nun einen Stein und warf ihn nach dem Hecht. Dabei rief er mit schwerer Zunge: »Heute gibt es zum Abendessen Zwerg!«
    Mit einem kreischenden Laut des Protests, den nur Fische und Götter hören können, schnalzte der Hecht zur Seite und verschwand in der Gischt des Wasserfalls.
    Stattdessen traf der Stein des Loki einen Otter, der gerade nach einem Lachs schnappte. Todwund wurde das Tier auf einen Uferstein gespült, seine Beute immer noch fest im Maul.
    »Das nenne ich einen Wurf!«, sagte Hönir anerkennend. »Das gibt heute ein treffliches Menu mit Fisch und Fleisch. Und Met.«
    Ein Eichhörnchen, das ganz in der Nähe auf einem Baum saß und die Szene beobachtet hatte, hielt den Atem an. Denn Ratatöskr wusste, wer soeben getötet worden war.
     
    *
     
    Die Stadt Byblos war ein natürlicher Hafen in einer sichelförmigen Bucht, die sich in Terrassen aus dem Meer Richtung Libanongebirge erhob. Der »Wahre Exil-Ägyptische Vielheilige Vielgötter-Tempel« befand sich auf der zweiten Terrasse von unten, ganz in der Nähe des größten Marktes der Metropole. Wegen des regen Handels mit Ägypten lebten viele Menschen aus dem Land des großen Stroms in Byblos, und natürlich wollten und mussten sie zu ihren heimischen Göttern beten. Außerdem war die Auswahl an levantinischen Gottheiten nicht sonderlich groß, im Vergleich zum ägyptischen Pantheon sogar lächerlich klein. Neben der lokalen Götterdreiheit Baal, Astarte und Mot gab es nur noch einige unbedeutende Dämonen, zu denen sich allerdings in jüngster Zeit eine aus dem Sinai importierte, ziemlich rigorose und eifersüchtige Gottheit namens Jahwe gesellt hatte. Und es kursierten in Byblos Gerüchte von einem kleinen, aber mächtigen Gott ohne Namen, der von geheimnisvollen Fremden verehrt wurde und große Wunder wirkte.
     
    Tani wartete bereits vor dem Tempeltor auf Seshmosis. Bei ihrem Anblick pries sich der Schreiber erneut als den glücklichsten Menschen unter der Sonne und unter den Sternen; zumindest in dieser Stadt. Tani war seiner einstigen Liebe Rachel aus Jericho wie aus dem Gesicht geschnitten, sie war ihr in allen Belangen ebenbürtig und in einem Punkt sogar überlegen: Sie war hier, bei ihm, in Byblos.
    Seshmosis begrüßte
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