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Die neue Menschheit

Die neue Menschheit

Titel: Die neue Menschheit
Autoren: Chad Oliver
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und Pfeil und Bogen an alle Bürger verteilen?«
    Varnum holte tief Atem. Die Luft im Saal war abgestanden. Er hatte seine kleine Rede gehalten, obgleich er von Natur aus eher wortkarg war. Für Debatten interessierte er sich kaum, sie führten selten zu etwas. Sie waren nicht viel mehr als Übungen in Rhetorik.
    »Es gibt keine Lösung«, sagte er.
    »Warum nicht?«
    »Weil wir sind, was wir sind.«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Wir haben zuviel gelernt. Wir wissen, daß es leichtere Möglichkeiten gibt, sich seinen Unterhalt zu verdienen, als Giraffen zu jagen – selbst wenn es noch Giraffen gäbe. Wir haben es überhaupt leicht, das verdanken wir der Zivilisation. Die Leute wollen ihre Sicherheit nicht aufgeben – und können es auch gar nicht. Die Erde ist ein menschlicher Ameisenhaufen mit einer Bevölkerung von Abermilliarden. Unsere Technologie ermöglicht es. Wenn die Wirtschaft auf der Jagd beruhte, wie sähe es dann aus? Vielleicht käme dann auf fünf Quadratkilometer eine Person. Fast die ganze Bevölkerung würde ausgelöscht – wir würden wieder zum seltenen Tier. Und nur so tun als ob, funktioniert nicht. Es muß schon echt sein, sonst ist es nur ein Spiel, und wenn’s dann hart auf hart geht, verkriecht man sich hastig in seinen vier Wänden und suhlt sich in allem Komfort. Nein, ich habe keine Lösung für Sie. Ich glaube auch nicht, daß es eine gibt. Es hat einmal einen Schriftsteller gegeben – wie hieß er nur gleich? Foxe? Tigere? Aber das spielt keine Rolle –, der sagte: ›Du kannst nicht wieder nach Hause zurück.‹ Er hat recht, auf mehr als nur eine Weise. Man kann nicht nach Hause zurück – weil es das Zuhause nicht mehr gibt. Und selbst wenn es noch da wäre, würde man nicht mehr dorthin passen – weil man zu sehr verwöhnt ist. So ist es.«
    Luden blickte ihn scharf an. »Was wäre, wenn sie nach Hause zurückkehren könnten, Varnum? Würden Sie es tun?«
    Varnum starrte ihn an. Der Mann meinte es ernst!
    »Ich würde es in Betracht ziehen«, antwortete er bedächtig. »Ich glaube ja. Ich bin eine Spielernatur. Was hätte ich schon zu verlieren? Aber …«
    Ira Luden unterbrach ihn. »Die Ratssitzung ist geschlossen.« Dann wandte er sich wieder Varnum zu. »Kommen Sie mit mir, Varnum. Wir zwei müssen uns noch unterhalten.«
    Verblüfft folgte Varnum Ira Luden aus dem Saal.
     
    Ein Gärtchen, bleiche Blumen, ein kleiner Springbrunnen mit parfümiertem Wasser, ein paar weichgepolsterte Stühle.
    Sei auf der Hut, mahnte sich Varnum. Mit voller Absicht holte er seine Pfeife heraus und blies den Rauch in die stille Gartenluft.
    »Also, Ira«, sagte er. »Wie soll es weitergehen? Haben Sie vielleicht eine Zeitmaschine?«
    »Sie überschätzen mich. Ich bin kein Gott.«
    »Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Aber vielleicht reicht Ihre Macht, mir einen Drink zu beschaffen?«
    Ohne sichtbare Bewegung von Seiten Iras erschien ein volles Glas neben Varnum.
    Varnum nahm einen Schluck, dann kaute er an seiner Pfeife. »Das mit der Vorladung ist mir klar, und ich verstehe, daß Sie mir die beiden Burschen auf den Hals hetzten, um festzustellen, daß ich durchaus noch selbst auf mich aufpassen kann. Und die Sitzung brauchten Sie, um mein freiwilliges Einverständnis vor Zeugen zu bekommen. Habe ich recht?«
    »Der Teil mit der Sitzung stimmt. Von dem Attentat weiß ich offiziell nichts.«
    »Schlau«, murmelte Varnum und nahm einen tiefen Schluck.
    »Wenn Sie meinen. Aber wir wollen eines sofort klarstellen: In einer Ratssitzung weigerten sie sich ausdrücklich, sich einer Konditionierung zu unterziehen. Sie haben das Recht, trotz des freiwilligen Einverständnisses ihre Meinung zu ändern. Sie müssen nicht fort.«
    »Fort? Wohin? Heim?«
    »In gewisser Weise, ja.«
    Varnum leerte sein Glas. »Wovon zum Teufel reden Sie?«
    »Sie glauben an die Theorie, die sie dem Rat so wortgewandt unterbreiteten, nicht wahr?«
    »Das wissen Sie genau! Sie ist offiziell niedergelegt. Und Ihnen habe ich sie schon früher einmal erklärt.«
    »Ich muß ehrlich sein, als eine Hypothese unter vielen finde ich sie ansprechend. Und sie ist nicht an den Haaren herbeigezogen. Das Problem ist leider nur allzu wirklich. Unsere Gesellschaft leidet unter einer merkwürdigen Art von Lustlosigkeit und Abgeschlafftheit. Sie ist tief verwurzelt und hält schon mehrere Jahrhunderte an. Ich bin jedoch keineswegs so sehr überzeugt, daß es in der guten alten Steinzeit wirklich so großartig war. Da ist eine
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