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Die neue Menschheit

Die neue Menschheit

Titel: Die neue Menschheit
Autoren: Chad Oliver
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keine wirkliche. Die Computer kannten ihn, und wenn man einen Menschen in- und auswendig kennt, kann man einen Vorschlag zusammenbasteln, den er einfach nicht ablehnen kann. Man muß lediglich den richtigen Köder für die Falle verwenden.
    Man muß ihm die Illusion lassen, er habe einen freien Willen. Ihn glauben lassen, er treffe eine Wahl. Das kostet nichts und ändert nichts am Ergebnis.
    Man nehme einen ruhelosen Mann, der wenig zu verlieren hat. Einen Mann, der Herausforderung suchte und nicht fand. Man biete ihm die Chance, festzustellen, was er in einer Welt sein würde, die als solche eine Herausforderung war.
    Man versüße das Angebot mit einer großen Vision.
    Man mache es ihm leicht, beschränke den Verlust des einzigen, was ihm wirklich etwas bedeutet, zeitlich. Benutze eine Angel ohne Widerhaken. Gebe ihm die Chance, sich schließlich selbst davon freizustrampeln.
    Dann brauchten nur noch die Einzelheiten festgelegt zu werden.
     
    Einzelheiten …
    Nachdem Varnum sich einverstanden erklärt hatte, gab es keine sicherheitsbedingten Geheimnisse mehr für ihn. Er erfuhr seinen Bestimmungsplaneten: Kapella VII, zweiundvierzig Lichtjahre von der Erde, ein gelber Riese, sechzehnmal so groß wie die Sonne, mit mehreren Planeten.
    Die Auskunft mochte stimmen oder auch nicht. Wie sollte Varnum das wissen? Die Entfernung war von keiner großen Bedeutung, wenn das Schiff erst in den Nichtraum glitt. Die Reisedauer konnte in Monaten gerechnet werden, aber er würde davon ohnehin nichts merken. Gleich nach dem Start würde er im Kälteschlaf vegetieren, dann war die Konditionierung schon vorbei.
    Konnte man träumen ohne Gedächtnis? Varnum hoffte es nicht. Und wenn er aufwachte, ohne etwas zu wissen, ohne sich an etwas zu erinnern …
    Nun, das hatte nichts mehr mit ihm zu tun. Er konnte keine Pläne schmieden. Sein Problem war, mit diesem Varnum Schluß zu machen.
    Zögere es hinaus … Iß, trink, gib dich bis zum Überdruß mit Frauen ab. Rauch deine Pfeife. Versuch nicht zu denken.
    Er wurde es leid, früher als er erwartete. Das hätte ihm zu denken geben müssen, sagte er sich säuerlich.
    Er war bereit. Es gab hier nichts mehr, was er noch tun wollte.
    »Ira«, sagte er. »Vielleicht kommt mein Geist zurück und läßt Ihnen keine Ruhe mehr.«
    »Ah, sie werden es schaffen, Varnum. Selbstverständlich behalten Ihre sämtlichen Schutzimpfungen ihre Wirkung, und Sie bekommen noch ein paar zusätzliche. Sie werden immun gegen Krankheiten sein, oder zumindest fast. Und wir werden nicht alles blockieren, könnten es nicht, wenn wir es wollten. Die Chancen stehen wirklich gut.«
    Varnum grinste schief. »Ich verlasse mich darauf.«
    »Ich kümmere mich darum, daß der Monitor Sie nicht aus den Augen läßt. Wir alle werden bei Ihnen sein. Ihr Name wird genannt werden, solange die Menschheit lebt …«
    »Genug der Grabrede«, unterbrach Varnum ihn. »Kommen Sie, Ira. Bringen wir es hinter uns.«
    Ira Luden begleitete ihn höchstpersönlich zum Konditionierungszentrum. Das war eine große Ehre. Trotzdem war es genau, wie Varnum es befürchtet hatte: weiß, sauber, still und antiseptisch. Es war kein schöner Ort zum Sterben.
    Varnum begann zu schwitzen.
    Ira Luden räusperte sich. »Möchten Sie noch etwas sagen?«
    »Ein letztes Wort, meinen Sie? Nein, nicht hier. Nicht jetzt.«
    »Nun?«
    Varnum schaute sich um, beäugte die wartenden Techniker und verspürte eine unendliche Leere. Er fröstelte. »Tun Sie es!« flüsterte er. »Tun Sie es schnell! Die Zeit zum Reden ist vorbei.«
    »Leben Sie wohl, Varnum«, sagte Ira Luden.
    Varnum schwieg. Schleppend ging er auf die Techniker mit den ausdruckslosen Mienen zu. Er lauschte seinen eigenen, gedämpften Schritten.
    »Macht schon!« sagte er rauh. »Tut es!«
    Sie taten es.
     
    Der Mann, der Varnum gewesen war, blieb ungewöhnlich. Er erhielt eine Sonderbehandlung.
    Die Blockierung war ein komplexes Verfahren, das viel Zeit in Anspruch nahm. Varnum machte es nichts mehr aus. Darüber war er hinaus. Er wußte nichts, spürte nichts, war nichts weiter als gefühlloses Fleisch, mit dem sich Maschinen beschäftigten. Leben pulsierte äußerlich nicht erkennbar durch ihn, und alle Werte wurden für einen ungemein leistungsfähigen Computer registriert.
    Was immer er war, er war abgeschaltet.
    Mit den anderen war es einfacher. Es gab viele. Ein Planet bot Platz für mehr als eine Kolonie. Ihre Persönlichkeit wurde einfach ausradiert. Und ohne sie waren sie alle
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