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Die neue Menschheit

Die neue Menschheit

Titel: Die neue Menschheit
Autoren: Chad Oliver
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jedoch anfangen, dagegen zu wirken, holen wir Sie heraus. Funktioniert es nicht, brauchen wir den richtigen Mann an Ort und Stelle – jemanden mit Erfahrung in beiden Lebensweisen, der die Situation retten kann. Sie!«
    Varnum stand auf. Er war erschöpft. »Ich überlege es mir, Ira. Ich gebe Ihnen Bescheid.«
    »Mehr verlange ich nicht. Die Entscheidung liegt allein bei Ihnen. Und denken Sie daran, daß Sie eine Wahl haben – so oder so.«
    »Ich werde es nicht vergessen.«
    Ira brachte Varnum zum Rohr, dessen Einstieg hinter einem silbernen Vorhang verborgen war. Varnum zwängte sich hinein, und Luden drückte auf die Kodekombination. Ehe Varnum richtig gähnen konnte, war er schon zu Hause.
    Rein automatisch überprüfte er die Sicherheitsanlage, dann ließ er sich in einen Sessel fallen, der sich seinem kräftigen Körper anpaßte. Sein Blick wanderte durch das Zimmer und nahm alles auf:
    Den unbezahlbaren Navajoteppich. Das Regal mit echten Büchern, einige hatten sogar zerrissene Rücken. Ein 3-D von der Sahara mit mehr Steinen als Sand. Pfeifen, deren Stiele Spuren seiner Zähne aufwiesen. Eine präparierte Regenbogenforelle, fast fünfundzwanzig Zentimeter lang, sie war eine der letzten gewesen. Schwerter, Degen, Schußwaffen, einen glänzenden Helm, der einst zu einer Ritterrüstung gehört hatte und der ihm viel zu klein war. Einen lebenden Kaktus. Den eingerahmten Aufkleber einer alten Flasche Scotch …
    Varnum hatte zur Zeit keine Partnerin. Sie blieben nie lange. Kein Wunder, dachte er. Er seufzte. Aber es fehlte ihm an nichts, oder vielmehr, er hatte alles: zu essen und trinken, Unterhaltung, einschaltbaren Sex, Sicherheit. Konnte ein Mensch mehr verlangen?
    Er zog sich aus und schlüpfte ins Bett. Er könnte, natürlich, Sofortschlaf wählen … »Ah, zum Teufel damit«, brummte er. Das Licht ging langsam aus. Die Luft war schal. Kein Laut war zu hören. Mit offenen Augen lag er da. Er versuchte, nicht zu denken. Schließlich kam der Schlaf, und er träumte vom Wind.
     
    Wie sagt man Lebewohl zu einer Welt? In Varnums Fall tut man es überhaupt nicht. Die Erde war die einzige, die er kannte, aber er mochte sie nicht sonderlich. Es gab nichts, was er nicht gesehen hatte, und Varnum war kein Freund von Städten. Sie waren alle gleich.
    Menschen? Er war immer ein Einzelgänger gewesen. Ein Anachronismus, vielleicht. Er hatte keine Freunde. Gewiß, es hatte Männer gegeben, mit denen er sich hin und wieder gern unterhalten und mit denen er ein Glas oder zwei getrunken hatte, aber eine dauernde Freundschaft hatte ihn mit keinem verbunden. Und Frauen? Da hatte es viele gegeben. Er war nicht ohne Liebe gewesen, und er empfand auch jetzt noch Zuneigung für manche zeitweiligen Partnerinnen. Aber wenn eine Beziehung zu Ende war, war sie zu Ende.
    Wie sagt man Lebewohl zu sich selbst? Das war schon schwieriger. Man schiebt es hinaus. Man macht sich vor, daß gar keine Entscheidung gefallen ist. Dann durchforscht man sein Leben. Man versucht, sich an alles zu erinnern, einschließlich der Dinge, die besser vergessen blieben. An den Vater, den er nie wirklich gekannt hat und der nicht sonderlich daran interessiert gewesen war, wo sein Sperma gelandet war. An die Mutter. Sie war hübsch gewesen, nahm er an. Sie hatte das Zeug zur Warmherzigkeit in sich gehabt. Mehrmals hatte sie ihn besucht. Einmal hatte er sich an sie geklammert und in seiner Kindlichkeit gehofft, sie würde ihn mitnehmen. Es hatte ausgesehen, als wollte sie es auch. Möglicherweise hatte er es sich nur eingebildet. Sie war aus seinem Leben geschieden. Er wußte nicht, wo sie war.
    Aber er wußte genau, warum er keine Kinder gewollt hatte.
    Man tut allerlei dumme Dinge. Er betrachtete seine Hände, sie waren wahre Pranken mit dicken Fingern und festen Nägeln. Er strich über seinen Körper. Nur Fleisch und Knorpel und Knochen. Er starrte in den Spiegel. Kein Gesicht, das eine Zierde für eine Statue wäre. Gerades schwarzes Indianerhaar, schmale mißtrauische Augen, kräftige Wangenknochen, eine Nase, die einmal eine Auseinandersetzung verloren hatte, ein Mund, der zu schmal für ein schnelles Lächeln war, ein stoppliges Kinn, das hart wie ein eingebauter Felsen war. Eine Schönheit war er wahrhaftig nicht.
    Und sein Eigentum? Er hatte nicht viel, aber an einigen der Dingen hing er. Er konnte sie in Aufbewahrung geben, dann waren sie da, falls er je zurückkam. Sie waren haltbar.
    Die Entscheidung war jedenfalls gefallen. Eigentlich war es
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